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Benjamin Netanjahu auf der Lauer
Ex-Premier wittert Chancen bei Neuwahlen in Israel
Die Ankündigung sorgte für Überraschung: In der Zeit von Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte es viele Versprechen von Machtteilung gegeben; allesamt waren sie gebrochen worden, so oft, dass es niemand wirklich ernst genommen hatte, als sich Naftali Bennett, Spitzenkandidat der rechten Kleinpartei Jamina, und Jair Lapid, Vorsitzender der im Zentrum verorteten Zukunftspartei, verabredeten, sich auf dem Posten des Regierungschefs abzuwechseln.
Am Montagabend traten beide vor die Kameras und kündigten nicht nur einen baldigen Antrag auf Auflösung des Parlaments an, sondern auch die vorzeitige Amtsübergabe von Bennett an Lapid. Im Hintergrund bemühten sich derweil die Berater*innen Bennetts, der Presse zu erklären, dass dieser nicht auf Druck Lapids handele, sondern selbst die Entscheidung getroffen habe. »Der Staat Israel steht über persönlichen Interessen«, war auch ein Satz, der in der Ansprache mehrfach fiel.
Bei den Koalitionspartner*innen ist man sich derweil einig. Man habe gut zusammengearbeitet, sagten fast wortgleich Avigdor Liebermann von der rechten Partei Jisrael Beitenu, Merav Michaeli, Chefin der sozialdemokratischen Arbeitspartei, und Nitzan Horowitz von der linksliberalen Meretz – gespickt mit einer guten Portion Wut: Es seien einige wenige Abgeordnete gewesen, die das Ganze vom ersten Tag an »aus purem Egoismus« (Liebermann) torpediert hätten. »Wir haben alles getan, um die Koalition zu bewahren«, versicherte Bennett im Parlament.
Die Auflösung des Parlaments und die daraus resultierende Neuwahl wären normalerweise nicht notwendig gewesen. Denn ein erfolgreiches Misstrauensvotum war aus juristischen Gründen unwahrscheinlich – trotz einiger Abgeordneter, die zum rechtskonservativen Likud überliefen. Koalitionsabgeordnete, die gegen die Regierung stimmen, dürfen bei der kommenden Wahl nicht wieder antreten. Dass es nun aber die Koalition selbst ist, die die Parlamentsauflösung anstrebt, liegt am Westbank-Gesetz, einem Paragraphen, dessen Existenz bis vor wenigen Wochen selbst den meisten Abgeordneten nicht bekannt war. Mit diesem Gesetz wird seit den ersten Tagen des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten die Anwendung israelischen Rechts in den Siedlungen für jeweils fünf Jahre ermöglicht.
Ende des Monats läuft dieses Gesetz nun aus, und die Verlängerung scheiterte ausgerechnet am Likud sowie an den beiden ultraorthodoxen und einigen kleineren rechten Parteien. Die Folge: Ab dem 1. Juli hätten Hunderttausende Israelis, die in Siedlungen leben, unter anderem den Zugang zur Sozialversicherung und vor allem zur Krankenversicherung verloren, und das auch im Großraum Jerusalem. Denn zwar hatte man in den 80er Jahren den bis 1967 von Jordanien kontrollierten Teil der Stadt einseitig annektiert. Doch die meisten der danach im Westjordanland gebauten Stadtteile liegen auch nach israelischem Recht außerhalb des Staatsgebiets. Mittlerweile sind sich auch viele Israelis gar nicht mehr dessen bewusst, dass sie in einer Siedlung leben, denn die Grenzen sind kaum noch erkennbar.
Und so blieb Bennett und Lapid als einzige Möglichkeit die Auflösung des Parlaments. Denn im Fall von Neuwahlen verlängert sich die Anwendung des Westbank-Gesetzes automatisch bis zum Ende von drei Monaten nach Bildung einer neuen Regierung.
Der voraussichtliche Wahltermin ist der 25. Oktober. Am Montag kündigte Netanjahu an, der eine Rückkehr an die Macht anstrebt, er werde versuchen, eine eigene Regierung zu bilden. Doch die Chancen sind gering. So machte Liebermann, bis vor wenigen Jahren ebenso wie Bennetts Jamina noch natürlicher Partner des Likud, am Montag deutlich, dass es sein oberstes Ziel sei, Netanjahus Wiederkehr zu verhindern, und auch Jamina dürfte keinerlei Lust haben, sich noch einmal Netanjahu anzuschließen. Damit bleiben Netanjahu als potenzielle Verbündete nur die extrem rechten Religiösen Zionisten und die beiden ultraorthodoxen Parteien.
Doch ob Netanjahu überhaupt Spitzenkandidat des Likud wird, ist noch offen. Denn in seiner Partei regt sich mittlerweile Widerstand. Fünf Neuwahlen in drei Jahren, die allesamt mit einer Pattsituation ausgegangen seien und in enger Verbindung mit der Person Netanjahu stünden, seien niemandem mehr zu erklären, sagte der Likud-Abgeordnete Juli Edelstein. Er hat angekündigt, Netanjahu den Parteivorsitz in internen Vorwahlen streitig machen zu wollen.
Netanjahu indes warnt, ohne ihn werde der Likud viele Sitze verlieren. In einer Umfrage vom Dienstag werden der Partei 36 der 120 Parlamentssitze vorhergesagt. Lapids Zukunftspartei folgt mit 20 Sitzen.
Doch es wird Lapid sein, der im Juli US-Präsident Joe Biden in Israel empfängt, ein Besuch, der möglicherweise Schlagzeilen nach sich ziehen wird: In den vergangenen Monaten war Lapid als Außenminister viel unterwegs; Gerüchte machen die Runde, dass die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit Saudi-Arabien kurz bevorsteht, oder wenigstens ein Abkommen, dass israelischen Fluglinien Routen durch saudischen Luftraum ermöglicht.
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