Deutsche Schwimmer so erfolgreich wie lange nicht mehr

Florian Wellbrock holt bei der WM nach zwei Medaillen im Becken gleich Gold mit der Staffel im Freiwasser

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.
Für Florian Wellbrock geht es nach erfolgreichen Auftritten im Becken direkt ins Freiwasser.
Für Florian Wellbrock geht es nach erfolgreichen Auftritten im Becken direkt ins Freiwasser.

Unangenehme Bekanntschaft mit Bobby Finke machte Florian Wellbrock vor zehn Monaten schon mal in Tokio. Beim olympischen Medaillenwettstreit rauschte das schwimmende Ungetüm aus den USA über 800 und 1500 Meter Freistil auf der letzten Bahn jeweils an seinem deutschen Konkurrenten vorbei – zu Doppel-Gold. Unter anderem mit Wellbrock, bei Olympia nach Rang vier über 800 Meter noch mit Bronze auf der Marathondistanz dekoriert, kam es bei den Weltmeisterschaften in Budapest nun zu einem Wiedersehen. Und für den gebürtigen Bremer zudem zu einem ganz neuartigen Erlebnis mit dem Konkurrenten aus Amerika.

»Ich bin zum ersten Mal direkt neben ihm geschwommen«, berichtete Wellbrock, nachdem er am letzten Finalabend bei den Beckenschwimmern über die 1500 Meter Freistil eine Bronzeplakette abbekommen hatte. Mit vier Sekunden Rückstand auf den souveränen Sieger Gregorio Paltrinieri aus Italien, und 24 Hundertstelsekunden hinter der kraulenden Naturgewalt Bobby Finke. »Der hat mich derart aufgefressen«, schluckte Wellbrock nach dem Kopf-an-Kopf-Duell mit dem 22-Jährigen aus Florida. »Der macht eine Welle – das ist unglaublich.«

Und weil das so ist, schien dem Freiwasser-Olympiasieger nach dem weltmeisterlichen Finale am Sonnabend die Zeit reif für ein kurzes fachliches Update. Vor einigen Jahren sei es vielleicht noch einfach gewesen, in der Marathondistanz des Schwimmsports auf das Siegerpodest zu kommen, sinnierte Wellbrock. Ehe er festhielt: »Bei der jetzigen Leistungsdichte ist das nicht mehr der Fall.« Mit Platz drei war der entthronte Weltmeister deshalb auch »sehr zufrieden« – und betonte: »Ich habe Bronze gewonnen.« Sein Trainer hingegen beurteilte das Resultat etwas kritischer, aus alter Gewohnheit sozusagen.

»Bernd Berkhahn ist in sportlichen Dingen nur sehr, sehr schwer zufriedenzustellen«, breitete Wellbrock gegenüber »nd« seinen entsprechenden Erfahrungsschatz aus sieben Jahren Zusammenarbeit aus. Und passend dazu zeigte sich der Bundestrainer nach dem WM-Finale über die 30 Bahnen Kraul innerlich hin- und hergerissen. Auf der einen Seite fand der Coach Wellbrocks Zeit von 14:36,94 Minuten völlig in Ordnung. Schließlich war er damit bis auf 0,79 Sekunden an seine persönliche Bestzeit, aufgestellt beim EM-Sieg 2018 in Glasgow, herangekommen. Trotzdem gab es ein Aber. »Er kam halt raus aus dem Wasser und meinte, er habe sich nicht ausbelastet und könnte noch weiterschwimmen«, berichtete Berkhahn und monierte, Wellbrock habe sich zu sehr an Finke orientiert. Und Paltrinieri davon preschen lassen. »Das«, so der 51-Jährige, »war eben etwas zu verhalten.«

Bei den Titelkämpfen in Budapest reizt Wellbrock vor allem auch die Gesamtherausforderung, die er innerhalb von zehn Tagen zu bewältigen hat. Nach seinen Auftritten im Pool stehen für den 24-Jährigen noch drei Starts im Freiwasser an: Schon am Tag nach seinem zweiten Medaillengewinn im Becken legte er dabei in der Staffel über 4×1,5 Kilometer los – wo er mit Oliver Klemet, Lea Boy und Leonie Beck als Schlussschwimmer auch gleich Gold gewann.

Das Fazit seines Magdeburger Coaches, der seit Januar 2019 auch als Bundestrainer fungiert, für die zehn Aktiven bei den Beckenwettbewerben ist bereits unter Dach und Fach. Zwar erreichten nicht alle, wie von Berkhahn prophezeit, mindestens das Halbfinale. Mit vier Medaillen – drei aus Silber, eine aus Bronze – sowie zahlreichen Finalplatzierungen gelang dem kleinen Team des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) jedoch das beste Ergebnis bei Weltmeisterschaften seit den Titelkämpfen 2009 in Rom.

»Es war unfassbar, vor allem auch der letzte Tag«, strahlte Berkhahn am späten Sonnabend. »Alle Sportler, die noch nicht abgereist waren, standen in den Finals. Ich weiß nicht, ob es das im DSV schon jemals gegeben hat.« Besonders erfolgreich waren die Athleten aus seiner eigenen Magdeburger Trainingsgruppe: Hinter Wellbrock, der bereits Zweiter über 800 Meter Freistil geworden war, belegten Lukas Märtens nach Silber über 400 Meter Freistil und der seit März in Sachsen-Anhalt trainierende Ukrainer Michailo Romantschuk nach Bronze über 800 Meter Freistil über die 1500 Meter die Plätze vier und fünf.

In Budapest hat der 20-jährige Märtens sein Trauma von den Tokio-Spielen, als er bei allen drei Einzelstarts im Vorlauf ausschied, überwunden: Auf seinen vier Einzelstrecken schaffte er es nun drei Mal in den Endlauf und sorgte gleich zum Auftakt für die erste DSV-Medaille. Zwei Abende später folgte ihm die gleichaltrige Anna Elendt nach, die über 100 Meter Brust ebenfalls Silber gewann.

Die Entwicklung der gebürtigen Hessin verfolgt Berkhahn »mit Begeisterung«, verweist aber zugleich darauf, dass Elendt und der gebürtige Hamburger Rafael Miroslaw ihren Lebensmittelpunkt inzwischen in die USA verlegt haben, um ihr Leistungslimit zu erreichen. »Das ist nicht systematisch«, moniert der Bundestrainer, der bereits vor dem Abflug nach Budapest erklärt hatte: »Ich denke nicht, dass wir bis Olympia 2024 noch mehr dieser Sportler sehen werden.«

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