• Berlin
  • Schnelle Bahnen und Busse

Der Bus muss durch den Block kommen

Fahrgastverband fordert Verkehrsberuhigung unter Berücksichtigung des Nahverkehrs

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wenn wir nicht endlich die Verkehrswende mit dem Öffentlichen Personennahverkehr denken, wird die Verkehrswende scheitern«, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB zu »nd«. Grund seiner Sorge sind mehrere Berliner Kiezblock-Projekte, bei denen ganze Viertel durch die Blockade von Durchfahrtmöglichkeiten für Autos verkehrsberuhigt werden sollen. »Straßenbahnen und Busse müssen auch künftig nicht nur zum Kiez, sondern durch den Kiez fahren können, damit die Wege zu den Haltestellen nicht zu weit werden«, fordert die IGEB. Denn der Nahverkehr sichere »Mobilität für alle, die nicht Fahrrad und Pkw nutzen können oder wollen«.

Um dies auch mit der geplanten Verkehrsberuhigung sicherzustellen, fordern die Fahrgastvertreter von der Senatsmobilitätsverwaltung die Bildung einer Arbeitsgruppe. Neben der Verwaltung von Senatorin Bettina Jarasch (Grüne) sollen dieser die Bezirke, die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sowie nicht zuletzt die Fahrgastverbände angehören. Aufgabe soll laut IGEB sein, Pläne für Kiezblocks mit Blick auf vorhandene oder geplante Bus- und Straßenbahnlinien zu prüfen »und gegebenenfalls zugunsten des ÖPNV« zu korrigieren.

»Wir freuen uns über die Anregung des Fahrgastverbands, halten allerdings eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema ÖPNV und Kiezblocks aus aktueller Sicht für entbehrlich«, erklärt Jan Thomsen, Sprecher der Mobilitätsverwaltung, auf nd-Anfrage. Er begründet das damit, dass der Ansatz, Kiezblocks einzurichten, sich vor allem auf Strecken des Nebenstraßennetzes beziehe, liege also in der Zuständigkeit der Bezirke. »Zu deren Aufgaben gehört dabei auch eine Bewertung der Maßnahme und ihrer Auswirkungen vor deren Umsetzung – werden also Betroffenheiten ausgelöst, die in der fachlichen Verantwortung der Hauptverwaltung liegen, wäre diese durch den Bezirk ohnehin aktiv einzubeziehen«, so Thomsen weiter.

Insbesondere bei Auswirkungen auf den ÖPNV, der von der Hauptverwaltung bei der BVG als Verkehrsleistung bestellt werde, sei jeweils eine Abstimmung mit dem Aufgabenträger, also der Senatsmobilitätsverwaltung, vorzusehen. »Solange dies funktioniert, würde eine eigene Arbeitsgruppe nichts beschleunigen. Vorbereitet wird derzeit ein Leitfaden zur Verkehrsberuhigung in verschiedenen Ausprägungsstufen, um stadtweite Standards zu setzen. Der Leitfaden könnte noch in diesem Jahr finalisiert werden«, erklärt Thomsen.

Ein Positivbeispiel für die IGEB ist die Reinickendorfer Großsiedlung Meller Bogen. Dort werde die mögliche Verlängerung der Buslinie 125 zur besseren Erschließung des Gebiets bereits mitgedacht. Anders sehe es beim autofreien Wrangelkiez in Kreuzberg aus. Es sei »völlig unklar, welche Rolle die dringend benötigte Straßenbahn zum Hermannplatz bei den Initiatoren spielt«, heißt es. Bekanntlich soll die Linie M10 von der Warschauer Straße über die Oberbaumbrücke und durch den Görlitzer Park führen.

»Für die maßnahmenkonkrete Planung haben wir sowohl aktuelle Haltepunkte des ÖPNV als auch zukünftige Streckenplanung, wie beispielsweise die Verlängerung der M10 durch den Wrangelkiez bis zum Hermannplatz, selbstverständlich im Blick«, entgegnet Bezirksstadträtin Annika Gerold (Grüne) auf nd-Anfrage.

Man verfolge im Bezirk »einen integrierten Planungsansatz, der die unterschiedlichen Interessen von Anwohner*innen, Nutzer*innen, Gewerbetreibenden etc. berücksichtigt«, so Gerold weiter. Diese übergreifenden Abwägungsprozesse seien Aufgabe des Straßen- und Grünflächenamtes. Dieses Amt sei »dafür verantwortlich, die Einwohner*innen-Anträge für Kiezblocks oder andere verkehrsberuhigende Maßnahmen fachlich zu prüfen und mit anderen Belangen sowie gesetzlichen Vorgaben abzugleichen«.

»Damit keine Insellösungen in einzelnen Kiezen entstehen, setzt das Straßen- und Grünflächenamt zudem auf die Entwicklung und Umsetzung einer flächendeckenden Strategie zur Verkehrsberuhigung«, erklärt Annika Gerold. Dadurch könnten Einzelmaßnahmen aus Planungsräumen in einem größeren Zusammenhang gedacht, übergreifende Maßnahmen diskutiert und wiederkehrende Zielkonflikte im Gesamtbild gelöst werden.

»Wichtig ist, dass auch die Routen von Bus-Ersatzverkehren mitbedacht werden«, sagt Jens Wieseke. Das werde mit Blick auf Oberbaumbrücke und -straße klar. Radstreifen seien mit flankierenden Betonklötzen buchstäblich in Stein gemeißelt. »Ersatzbusse für U1 und U3 werden künftig also im Stau stehen müssen, anstatt an den Autos wie bisher auf einer Interimsspur vorbeirauschen zu können«, so der Fahrgastvertreter weiter. »Solche Fehler sollten nicht wiederholt werden.«

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