Koalition will Änderung des Geschlechts beim Amt vereinfachen

Die Bundesregierung will das Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen

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Berlin. Jeder Mensch in Deutschland soll sein Geschlecht und seinen Vornamen künftig selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können. Das sieht ein am Donnerstag in Berlin vorgestelltes Konzept der Bundesministerien für Justiz und Familie für ein neues Selbstbestimmungsgesetz vor. Es soll das Transsexuellengesetz ersetzen, das von vielen Menschen inzwischen als unzeitgemäß und diskriminierend empfunden wird. 

Wenn die Neuregelung so wie geplant umgesetzt wird, ist bei der Frage des Geschlechtseintrags und der Vornamen künftig unerheblich, ob es sich um einen transgeschlechtlichen, nicht-binären oder intergeschlechtlichen Menschen handelt. Gutachten zur sexuellen Identität oder ein ärztliches Attest sollen als Voraussetzung für eine solche Änderung dann nicht mehr verlangt werden.

Intergeschlechtliche Menschen sind Menschen, deren körperliches Geschlecht nicht der medizinischen Norm von männlichen oder weiblichen Körpern zugeordnet werden kann, sondern sich in einem Spektrum dazwischen bewegt. Als nicht-binär bezeichnet man Menschen, die weder eine männliche noch eine weibliche Geschlechtsidentität haben. Transgeschlechtliche Menschen fühlen sich dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig.

Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung beim Standesamt abgeben. Jugendliche ab 14 Jahren sollen die Erklärung selbst abgeben können, allerdings mit Zustimmung der Eltern. Zu möglichen strittigen Fällen für die Gruppe der Minderjährigen ab 14 Jahre heißt es in dem von den beiden Ministerien formulierten Eckpunkte-Papier: »Um die Persönlichkeitsrechte der jungen Menschen zu wahren, kann das Familiengericht in den Fällen, in denen die Sorgeberechtigten nicht zustimmen, orientiert am Kindeswohl – wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht – die Entscheidung der Eltern auf Antrag des Minderjährigen ersetzen.« 

Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger, begrüßte die geplante Änderung. Er sagte, es »sollte unstrittigsein, dass auf nicht notwendige Zuordnungen und medizinisch nichterforderliche Eingriffe verzichten werden kann«. Um sicherzustellen, dass hinter der personenstandsrechtlichen Änderung eine ernsthafte Entscheidung steht, ist eine einjährige Sperrfrist vorgesehen. Das bedeutet, dass der neue Geschlechtseintrag und der Vorname grundsätzlich für mindestens ein Jahr lang gilt.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) wiesen ausdrücklich darauf hin, ihr geplantes Gesetz werde keine Festlegung zu der Frage etwaiger körperlicher geschlechtsangleichender Maßnahmen enthalten. Solche Maßnahmen würden weiterhin auf Grundlage fachmedizinischer Regelungen entschieden. Auch auf die Entscheidung, wer im sportlichen Wettbewerb als Frau oder Mann antritt, soll die geplante Gesetzesänderung keine Auswirkungen haben. Das entschieden die Sportverbände, sagte Paus. »Das Transsexuellengesetz stammt aus dem Jahr 1980 und ist für die Betroffenen entwürdigend«, erklärte sie. 

Auf die Frage, was mit Frauen sei, die sich in der Sauna oder in der Umkleide beim Sport womöglich unsicher fühlten, wenn Menschen, die bisher Männer waren, diese Räume betreten, antwortete die Ministerin: »Trans Frauen sind Frauen, und deswegen sehe ich da jetzt keinen weiteren Erörterungsbedarf.« In Frauenhäusern werde auch in Zukunft darauf geachtet, dass gewalttätige Menschen – gleich welchen Geschlechts – dort keinen Zugang hätten.

Transgeschlechtliche und nicht-binäre Menschen können ihren Geschlechtseintrag und den Vornamen aktuell nur per Gerichtsbeschluss ändern. Im Verfahren müssen zwei Sachverständigengutachten eingeholt werden. Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung können Änderungen zwar jetzt schon mit einer Erklärung beim Standesamt vornehmen. Allerdings werden dabei entweder ein ärztliches Attest oder eine Versicherung an Eides statt verlangt. Buschmann sagte: »Das geltende Recht behandelt die betreffenden Personen wie Kranke. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.«

Das Kabinett soll nach dem Willen von Paus und Buschmann bis zum Jahresende über einen Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz beschließen. Viele Menschen, die ihren Geschlechtseintrag ändern, gehen damit offen um. Wer das nicht tun möchte, werde vor einem »Zwangs-Outing« geschützt, sagte Buschmann. Das bedeutet, dass beispielsweise ein Standesbeamter nicht herumerzählen darf, dass eine Lena früher ein Leo war. Falls diese sehr persönliche Information von einem Behördenmitarbeiter »in die Öffentlichkeit gezerrt« wird, soll laut Buschmann ein Bußgeld fällig werden.

»Die vorgestellten Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz sind unzweifelhaft ein gesellschaftlicher Meilenstein«, lobte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte. Was jetzt noch fehle, sei der Ausbau von Hilfs- und Betreuungsangeboten für Betroffene und ihr Umfeld sowie eine breite Aufklärungskampagne, um gesellschaftliche Ängste abzubauen. dpa/nd

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