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Berlins Balkanliebe
Bundeswehr bleibt im Kosovo und kehrt demnächst auch nach Bosnien-Herzegowina zurück
Dass die Ukraine und Moldawien beim Juni-Gipfel der EU den Status von Beitrittskandidaten erhielten, begrüßten auch die Staats- und Regierungschefs der westlichen Balkanländer jüngst beim Balkangipfel. Doch die Abgesandten aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien fragten, warum ihre eigenen Beitrittswünsche weiter auf Eis liegen. Dabei braucht der Westen diese Staaten dringender denn je.
Beispiel Albanien: Die Regierung in Tirana investiert gerade knapp 500 000 Euro, um neue Erdgaslagerstätten zu erkunden. Untersucht wird unter anderem das Delvina-Feld. Es ist über 200 Quadratkilometer groß und man vermutet eine Förderkapazität von 8000 bis 10 000 Kubikmetern pro Tag. Auch Shell, bereits seit 2018 in Albanien aktiv, wittert Profite. Der niederländische Energieriese stehe kurz vor der Entdeckung bedeutender Gas- und Ölvorkommen in Albanien, behauptete Albaniens Premier Edi Rama vor wenigen Tagen und jubelte, so könne sich die Energieversorgung in Europa verändern.
Auch als Drehscheibe für den Handel mit und den Transport von Flüssiggas könnte Albanien für die EU wichtig werden. Mit Hilfe der schwimmenden LNG-Terminals in Vlora – Eigentümer sind ExxonMobil und die Republik Albanien – könnte man ab 2023 dazu beitragen, die durch die Sanktionspolitik gegenüber Russland ausgelösten Engpässe in Europa ein wenig auszugleichen. Trotzdem ist völlig unklar, wann das Land an der Adria gegenüber der »Stiefelspitze« Italiens EU-Mitglied werden darf.
In die Nato gelangte Albanien einfacher. Bereits seit 2009 ist das Land Mitglied der Allianz. Und so wäre es in normalen Zeiten kaum eine Notiz wert, dass sich Premierminister Rama an diesem Mittwoch in Brüssel mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg trifft. Doch spätestens seit dem Beginn des russischen Einmarsch in der Ukraine ist nichts mehr normal. So werden die Beiden vermutlich darüber reden, welchen Beitrag Albanien zur Verstärkung der Südostflanke der Nato leisten kann. Dabei wird man wohl auf den Hafen von Durrës zu sprechen kommen, der zu einem Nato-Stützpunkt ausgebaut werden soll.
Im Mai hatte Rama dem Nordatlantikpakt auch die Marinebasis Pashaliman in der Bucht von Vlora angeboten. Der 200 Kilometer südlich von Durrës gelegene Stützpunkt war in den 1950er Jahren die einzige Basis der Sowjetunion am Mittelmeer. Nach 1990 baute die Türkei sie wieder auf und behielt sich das Recht zur Nutzung vor. Da das Nato-Land als unsicherer Kantonist im Bündnis gilt, ist die Nato insgesamt wohl nicht erpicht darauf, in Pashaliman »vor Anker« zu gehen. Für sie ist eher der Luftwaffenstützpunkt Kucova in Mittelalbanien interessant. Eine Unterstützungstruppe der Bundeswehr war dort im Kosovo-Krieg 1999 stationiert. Nun hat die Nato dort mit dem Wiederaufbau sowie der Errichtung eines Munitionslagers und eines Betankungszentrums begonnen. Er soll 2023 abgeschlossen sein.
Neben der militärischen Stärkung der Südostflanke geht es der Nato um die innere Stabilität des Hinterlandes. In Sachen Lebensqualität, Arbeit und Recht bekommt das Land üble Noten. Laut jüngsten Erhebungen wollen 42 Prozent der Albaner ihr Land verlassen – Richtung EU. Auch Kosovo, das 1999 mit Nato-Waffen vom serbischen Mutterland weg in die staatliche Autonomie gebombt worden war, hängt am westlichen Tropf.
Am vergangenen Freitag verlängerte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit abermals den Nato-geführten KFOR-Einsatz der Bundeswehr. Zwar sei die Sicherheitslage in dem von Serbien abgespaltenen Land – mit Ausnahmen im serbisch dominierten Norden überwiegend ruhig. Dennoch brauche man dort bis zu 400 deutsche Militärs, um zur »Entwicklung einer stabilen, demokratischen, multiethnischen und friedlichen Republik Kosovo« beizutragen, schrieb die Bundesregierung in der Begründung ihres Mandatsverlängerungsantrags. Zugleich gehe es um den weiteren Aufbau der Kosovo Security Force als »demokratisch kontrollierte, multiethnisch geprägte Sicherheitsorganisation«. Kosovos Armee solle auf die weitere Einbindung »in euro-atlantische Struktur« vorbereitet werden. Zudem erklärte die Regierung: »Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine steigt die Sorge vor russischen Destabilisierungsversuchen.«
Ähnlich begründete die Ampel-Koalition ihren Antrag ans Parlament, nach rund zehn Jahren Pause wieder bei der EU-geführten sogenannten Stabilisierungsmission EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowina mitzuwirken. Vorerst sollen sich 50 deutsche Militärs daran beteiligen. Ob mehr Truppen folgen, hängt laut Bundesregierung maßgeblich vom inneren Zusammenhalt des Landes ab. Die aktuellen politischen Entwicklungen gäben »Grund zu großer Sorge«, schreibt die Regierung in ihrem Mandatsantrag. »Ethnische Spaltungen prägen noch immer den Alltag, dominieren die Politik und blockieren Fortschritte und Reformprozesse. Nationalistische und hetzerische Rhetorik sind heute wieder Teil des politischen Diskurses.« Die Politik »völkisch-nationalistischer« serbischer Politiker im Teilstaat Republika Srpska sei eine Gefahr für den Frieden in Südosteuropa; sie sei inakzeptabel und erfordere »entschiedene, harte Gegenwehr« der Europäischen Union, ihrer Mitgliedsstaaten sowie der internationalen Gemeinschaft.
Solch markige Sprüche werden in Serbien aufmerksam gehört. Dort hat man Erfahrungen mit westlichen Drohungen. Das Land gilt bei der EU und in der Nato als Verbündeter Russlands. Zwar verurteilten die Vertreter der Regierung in Belgrad in der Uno den Angriff auf die Ukraine, doch an Sanktionen gegenüber Russland beteiligt man sich nicht. Wohl aber verstärkt Serbien seine Verteidigungsfähigkeiten. Anfang April landeten überraschend mehrere chinesische Militärtransporter in Serbien. Sie luden modernste Flugabwehrraketensysteme aus. Neben einem Interesse an der militärischen Stärkung Serbiens signalisierte Peking so dem Westen zugleich, wie ernst es einen möglichen Konflikt auf dem Balkan nehmen könnte.
Die Bundesregierung betont derweil in ihrem Antrag zur Wiederaufnahme des Militäreinsatzes in Bosnien und Herzegowina, man engagiere sich »im Rahmen des vernetzten Ansatzes mit einem breiten, ressortübergreifenden Engagement zur Stabilisierung und wirtschaftlichen Entwicklung auf dem westlichen Balkan«. Die geförderten Projekte trügen »maßgeblich zur Modernisierung der Infrastruktur, zum Klimaschutz und zur Entwicklung der Privatwirtschaft« in Bosnien und Herzegowina bei.
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