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Das Rennen ist eröffnet
Acht Tory-Politiker bewerben sich für die Nachfolge von Boris Johnson im Amt des britischen Premiers
Die Möchtegern-Premierminister waren in der Stärke einer Fußballmannschaft angetreten, doch drei Bewerber verfehlten die Zahl von mehr als 30 sie unterstützenden Tory-Abgeordneten und mussten bereits aufgeben. Bevor Boris Johnsons Nachfolger oder Nachfolgerin diesen am 5. September aus der Downing Street hinauswerfen kann, wird der Kreis der Kandidaten bis Ende dieser Woche – noch vor den am 21. Juni beginnenden Parlamentsferien – auf die zwei mit den meisten Stimmen in der Fraktion reduziert. Anschließend sind die etwa 160 000 konservativen Parteimitglieder mit ihrer Wahl am Zug.
Vorweg: Marina Hyde, Kolumnistin des linksliberalen »Guardian«, spricht mit Recht von einem niederschmetternden Eindruck, den der Kandidatenkreis erweckt. Von der Klimakrise ist bisher bei keinem aus der Runde die Rede. Fast alle verlangen sofortige Steuerentlastungen ohne Rücksicht auf die wegen Brexit und Covid schon jetzt riesigen öffentlichen Schulden. Motto scheint zu sein: nach uns die Sintflut. Lediglich Nadhim Zahawi, Johnsons letztes Aufgebot als Finanzminister, sagt, woher er das Geld nehmen will: Kürzungen von 25 Prozent in allen Ressorts. Wie das bei chronisch unterbezahlten Lehrern oder einer immer älter werdenden Bevölkerung ankommen soll, der ein unterversorgtes Gesundheitssystem zu schaffen macht, bleibt Zahawis Geheimnis. Auch, woher die versprochenen Milliarden für neue Rüstungsausgaben kommen sollen.
Auch die Frauenriege, die sich zur Wahl anbietet, setzt keine Glanzpunkte. Außenministerin Elizabeth »Liz« Truss will sich als Margaret-Thatcher-Wiedergängerin profilieren. Während eines Besuchs beim Nato-Partner Estland posierte sie in einem britischen Panzer. Auf Russlands Staatschef Wladimir Putin dürfte das wenig Eindruck gemacht haben, mehr vielleicht auf die Fraktionskollegen. Weitere Bewerberinnen machen Truss die Rolle als Anführerin des rechten Tory-Flügels streitig. Suella Bravermann, höchste juristische Beraterin der Regierung, blieb wie Truss dem diskreditierten Johnson bis zuletzt treu. Von ihr stammte der Rat, das von ihm unterzeichnete Brexit-Abkommen lasse sich in der Nordirland-Frage einfach brechen. Die EU wird dies ganz anders sehen. Auch für die Politik, Bootsflüchtlinge ohne Prüfung ihres Asylrechts nach Ruanda zu verfrachten, lieferte sie Johnson ein Gefälligkeitsgutachten.
Rechts steht auch Handelsministerin Penny Mordaunt, Militär-Reservistin und für 85 Tage Kurzzeit-Verteidigungsministerin, die mit ihrem Auftritt im toryblauen Bikini in der TV-Realityshow »Splash!« mehr Aufsehen als durch politische Großtaten erregt hat. Die aufstrebende Gleichberechtigungsministerin Kemi Badenoch genießt das Vertrauen des von Johnson letzte Woche geschassten Kabinettsministers Michael Gove. Die junge schwarze Frau will sich durch ein gutes Abschneiden im Rennen um die Johnson-Nachfolge vor allem als Zukunftskandidatin für Höheres empfehlen. Bei den Tory-Mitgliedern soll Badenoch beliebt sein.
Der ehrgeizige Vertreter des gemäßigten »One Nation«-Parteiflügels Tom Tugendhat glänzte als Vorsitzender des außenpolitischen Parlamentsausschusses. Er tat sich eher durch Kritik an der Untätigkeit der Regierung nach der Taliban-Machtübernahme in Afghanistan hervor als durch übertriebene Treue zu Johnson. Tugendhat betont die eigene militärische Erfahrung. Da er jedoch gegen den Brexit eintrat, hat er in der mehrheitlich rechten Fraktion kaum Chancen. Das Gleiche gilt trotz seiner langjährigen Erfahrung im Gesundheits- beziehungsweise Außenministerium für Jeremy Hunt. Von Johnsons größter Bewundererin, Kulturministerin Nadine Dorries, wird Hunt für den unvorbereiteten Zustand des Gesundheitsdienstes vor der Covid-Pandemie verantwortlich gemacht.
Die meisten Abgeordnetenstimmen bekam fürs Erste Ex-Finanzminister Rishi Sunak. Der auch »Dishy Rishi« Genannte hatte durch seinen Rücktritt in der vergangenen Woche jenen Stein ins Rollen gebracht, der Johnson zum Rückzug zwang. Der Kandidat indischer Herkunft ist ein ausgewiesender Geldexperte, wie er mit einer Massenarbeitslosigkeit eindämmenden Politik während der Covidkrise bewies. Als einziger Kandidat verspricht Sunak keine sofortigen Steuersenkungen. Als Milliardär weckt Sunak bei vielen Wählern Neid. Zurzeit ist er der Favorit. Johnson-Getreue, auch in der Presse, wollen Sunak aber noch ein Bein stellen.
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