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Neue Ära in Sri Lanka spart Tamilen aus
Die Proteste und Präsidentschaftskandidaten eröffnen keine Perspektiven für tamilische Minderheit
Vor wenigen Tagen erst erklärte der sri-lankische Präsident Gotabaya Rajapaksa per E-Mail seinen offiziellen Rücktritt vom Amt. Damit gilt die Ära seines rechtsautoritären Familienclans als besiegelt. Am heutigen Mittwoch, den 20. Juli, wird das Parlament unter drei Kandidaten einen vorläufigen Präsidenten wählen, der gemeinsam mit einem von ihm ernannten Premier voraussichtlich die kommenden Monate das Land regieren wird. Obwohl die Tamil*innen die vorherige Regierung seit jeher kritisierten, ist ihr Optimismus jetzt mehr als vorsichtig – Grund ist ihre politische Geschichte der vergangenen Jahrzehnte.
Seit 2005 verhalf die singhalesische Bevölkerungsmehrheit den Rajapaksa-Brüdern per demokratischer Wahl dazu, nahezu kontinuierlich an der Macht zu bleiben. Jetzt setzt sich ihre Umbruchsstimmung weiterhin trotz gelungenen Sturzes des Präsidenten in den südlichen Teilen des Landes unbehindert fort: Seit über 100 Tagen gehen die Menschen dort auf die Straße. Währenddessen halten die im Norden und Osten des Landes von Tamil*innen ausgetragenen Proteste seit bald fast 2000 Tagen an. Obwohl endlich Singhales*innen wie Tamil*innen zeitgleich gegen die Regierungspolitik protestieren, gibt es wenig Verbindung und Verbündung zwischen den Bewegungen. Denn die für Sri Lanka seit Jahrzehnten für Krieg und Frieden bestimmende Frage über die Situation der ethnischen und religiösen Minderheiten des Landes steht auch in den derzeitigen Krisen bestenfalls im Hintergrund politischer Debatten.
Vor wenigen Tagen veröffentlichten daher verschiedene Organisationen der tamilischen Zivilgesellschaft, darunter das »Adayaalam Centre for Policy Research« und »Centre for Justice and Change« eine gemeinsame Stellungnahme zur aktuellen Situation. Darin wird benannt, warum in den Minderheitengebieten erstaunliche Zurückhaltung zu vernehmen war, wenn es um den Anschluss an die derzeitigen Proteste ging. In dem Statement äußern sie ihre Besorgnis darüber, »dass es bisher keine Anzeichen dafür gibt, dass Protestierende oder Politiker entschlossen sind, sich mit den ethnokratischen politischen Strukturen und der Geschichte der Gräueltaten in Sri Lanka auseinanderzusetzen und damit Ursachen zu beseitigen, die letztlich zu der gegenwärtigen Krise führten«.
Anhaltende Stromausfälle, Benzinknappheit, prekäre Lebensmittelversorgung, fehlende Medizin – all das sind Tamil*innen aufgrund des in ihren Gebieten ausgetragenen Krieg gewohnt. Anstrengend war das immer, viel schlimmer waren allerdings das massenhafte Sterben durch Pogrome und Bombardement und das systematische Verschwindenlassen zehntausender Menschen durch den Staat – und die fortwährende militärische Landbesetzung verhindert bis heute ein Leben in Normalität. Obwohl die massive Militarisierung des Nordens und Ostens mittlerweile derart groteske Züge angenommen hat, dass Tourismus-Hotels und Cafés genauso staatlich subventioniert von Soldat*innen betrieben werden wie Landwirtschaft oder Grundschulen, wird das von den aktuellen Proteste auffällig wenig thematisiert. Dabei sind es neben der Misswirtschaft und den globalen ökonomischen Machtungleichheiten gerade auch diese unverhältnismäßig hohen Staatsausgaben für Polizei und Militär, wegen der das Land seine Auslandsschulden nicht mehr bedienen konnte, was im April in die Zahlungsunfähigkeit mündete.
Die Stellungnahme aus tamilischer Perspektive adressiert diese Kontexte der Krise, indem sie unter anderem eine Demilitarisierung fordert. Zudem fordert sie sinnvollerweise eine neue Verfassung, welche die multiethnische, multireligiöse und multilinguale Konstellation der Insel aufgreift, indem sie den verschiedenen Bevölkerungsgruppen pluri-nationale und selbstbestimmte Rechte zuspricht.
»In der Geschichte Sri Lankas gab es viele Momente, in denen Regierungen die Gelegenheit hatten, den Kurs zu ändern und die Wurzeln der Konflikte auf der Insel anzugehen, aber jedes Mal scheiterten sie«, schreiben die zivilgesellschaftlichen tamilischen Akteure.
Unter den drei Kandidaten um die Nachfolge von Gotabaya Rajapaksa konkurriert Übergangspräsident Ranil Wickremesinghe bei der Wahl am Mittwoch im Parlament mit dem früheren Bildungsminister Dullas Alahapperuma und dem Chef der Oppositionspartei JVP, Anura Dissanayake, wie das Parlament am Dienstag mitteilte. Dass eine für nachhaltige Stabilität dringend notwendige Politik der Inklusion und Aufarbeitung in die Wege geleitet wird, die die mitunter rassistischen und mehrheitsnationalistischen Kontinuitäten der Gewalt anpackt, ist jedoch bei keinem der Kandidaten wirklich zu erwarten.
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