Eine Königin krönt sich selbst

Lange hat Rennradfahrerin Marianne Vos eine echte Etappenfahrt für Frauen gefordert. Jetzt fährt sie bei der Tour de France Femmes im Gelben Trikot

  • Tom Mustroph, Épernay
  • Lesedauer: 4 Min.
Olympiasiegerin Marianne Vos fährt im Trikot der Gesamtführenden bei der Tour de France Femmes.
Olympiasiegerin Marianne Vos fährt im Trikot der Gesamtführenden bei der Tour de France Femmes.

Die Tour de France der Frauen produziert ihre ersten Historienbilder. Das Rennen durch Paris, im Schatten von Eiffelturm und Arc de Triomphe, kannte man schon aus den Ausgaben des Vorgängerrennens La Course. Marianne Vos, Weltmeisterin und Olympiasiegerin von London 2012, gewann auch gleich das Auftaktrennen 2014. Sie machte sich aber auch immer stark dafür, dass ein Eintagesrennen wie La Course nicht ausreicht. Gebt uns eine echte Etappenfahrt, forderte sie, und wurde damit sogar bei Christian Prudhomme, dem Chef der Tour, vorstellig, wie dieser sich in diesem Jahr gegenüber »nd« erinnerte.

Es brauchte dann noch manche Saison des Herumprobierens, des Abwägens, des Zögerns. Bevor die mittlerweile 35-jährige Athletin aber die Karriere beendete, kam doch noch die Tour. Und Vos war schlau genug, sich auf der 2. Etappe mit einer Spitzengruppe im Finale abzusetzen und stark genug, den Sprint auch zu gewinnen. Es bedeute ihr viel, das Gelbe Trikot erobert zu haben, meinte Vos danach. »Als Kind habe ich die Tour an der Strecke verfolgt und den Jungs zugeguckt. Sie waren alle Helden, der Letzte genauso wie der Erste. Aber das Gelbe Trikot war nie ein Traum von mir, weil es das für Frauen nicht gab.«

Gut, das gab es schon. Aber Vos war gerade einmal zwei Jahre alt, als Jeannie Longo 1989 das letzte Mal im Gelben Trikot der Siegerin der Tour de France feminin gefeiert wurde. Christian Prudhommes Vorgänger Jean-Marie Leblanc ließ danach die Rundfahrt aus ökonomischen Gründen einstellen.

In diesem Jahr aber schaute Vos nicht mehr Männern in Gelb zu. Sie war selbst unter denen, die nach dem Leibchen jagten. Zum Auftakt, auf den Champs Élysées, hatte sie es noch verpasst. Tags darauf krönte sie sich aber zur Königin. Wann hat man das schon, dass jemand für ein Großevent kämpft, erreicht, dass es ausgetragen wird und die Kraft hat, auf dieser Bühne selbst noch Protagonistin zu sein? Selbst Prudhomme, den Vos und viele Mitstreiterinnen förmlich zur Entscheidung tragen mussten, eine Tour de France der Frauen im Rahmen seiner Organisation zu kreieren, zeigte sich gerührt. Er stellte sich zum Siegerfoto neben Vos, die Pionierin, und Marion Rousse, die Leiterin des Rennens, die wiederum in ihrer aktiven Zeit nie an einer Tour de France teilnehmen durfte. Sie war zu jung für die Tour de France feminin und hörte zu früh mit dem aktiven Radsport auf, um noch an der Tour de France Femmes teilzunehmen. Obwohl vier Jahre jünger als Vos gehört sie zur »verlorenen Generation« ohne Gelb-Chance, während Vos, die Grand Dame dieses Sports, ihre Regierungszeit so lange ausdehnte, um dieser Jahrgangsfalle zu entgehen. Dass sie Gelb auch am Ende der Frauentour die Planche des Belles Filles hochträgt, hält sie für unwahrscheinlich. »Mit diesem Ziel bin ich nicht hierhergekommen. Es gibt so viele gute Kletterinnen im Peloton. Da habe ich keine Chance«, sagte sie. Umso mehr genießt sie die Tage in Gelb. »Die Atmosphäre ist einfach spektakulär. So viele Menschen stehen an der Straße, nicht nur bei Start und Ziel, sondern auch unterwegs. Ich versuche mich natürlich auf das Rennen zu konzentrieren. Aber die Emotionen, die diese Tour bei mir auslöst, sind enorm«, sagte sie.

Zu verdanken sind die vielen Menschen an der Strecke auf dem flachen Land auch einer geglückten Mobilisierungskampagne von Frauentour-Chefin Rousse. Viele Kinder aus Ferien- und Freizeiteinrichtungen kommen gruppenweise an die Strecke. Und in Épernay ließ sie die Stadtrunde durch Vorstädte legen, in denen die Bewohnerer ganz offensichtlich schwer begeistert waren, dass ein großes Event Frankreichs auch einmal zu ihnen kam. Diese Frauentour mausert sich zu einem Ereignis für die Kleinen und die Großen.

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