Eine ungewöhnliche Allianz

Pablo Schmelzer erinnert an eine fast vergessene Zusammenarbeit: Black Panther und die deutsche Studentenbewegung

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 5 Min.

Bei der Unmenge an Veröffentlichungen zum globalen Protestjahr 1968 mag man gar nicht glauben, dass noch bisher unbekannte Aspekte zu Tage gefördert werden können. Der Historiker Pablo Schmelzer widerlegt diese Annahme. Er berichtet über eine »ungewöhnliche Allianz«.

In der Bundesrepublik waren zu jener Zeit 30 000 afroamerikanische GIs stationiert. Viele kamen nach ihrem Einsatz aus dem Vietnamkrieg in die BRD und brachten ihre traumatischen Kriegserfahrungen mit. Unter den Soldaten herrschte große Unzufriedenheit. Rassismus und Benachteiligungen durch weiße Kameraden und Offiziere waren in den Kasernen der US-Army an der Tagesordnung. Ein Soldat gab dem »Spiegel« zu Protokoll: »Wir, die Unwilligen, geführt von Unfähigen, führen unsinnige Aufgaben für das undankbare Militär aus.«

Diese Unzufriedenheit führte zu Kontakten der Soldaten zur US-amerikanischen Black Panther Party (BPP). Die 1966 in Kalifornien von Huey Newton und Bobby Seale gegründete Partei verstand sich als eine sozialistische und militante Bewegung des »schwarzen Nationalismus«. Stilbildend sollte ihr uniformiertes Auftreten werden. Bewaffnet, mit schwarzer Lederjacke und Barrett stellten sie sich rassistischer Polizeigewalt entgegen und versuchten durch die Verbesserung der Lebensverhältnisse die Geschicke in den Schwarzen Quartieren in die eigenen Hände zu nehmen. Am erfolgreichsten war das »Frühstück für Kinder«. Zu Beginn dieser Kampagne wurden im April 1969 in Oakland täglich 200 Kinder kostenlos versorgt, Ende des Jahres fand sie in 19 Städten der USA mit mehreren Tausend Kindern statt.

Diese Aktivitäten strahlten auch auf die Bundesrepublik aus. Bereits Ende der 60er Jahre entstand in Frankfurt am Main ein Solidaritätskomitee der BPP, das sich als deutscher Ableger der Partei verstand und Ausdruck der von ihr vorangetriebenen Internationalisierungskampagne war. Die Prominenz der Partei reiste aus den USA oder Algerien (teilweise illegal) in die BRD und nach Westberlin ein, um dort mit Vorträgen GIs aufzutreten. Die BPP versuchte, den Rassismus, den die Schwarzen GIs auch in Westdeutschland erlebten, im Rahmen ihrer marxistisch-leninistischen Theoriebildung zu analysieren und zu problematisieren. Dies, wie auch ihr militantes Auftreten, machte sie auch für die marxistisch interessierten und geprägten deutschen Studierenden und die »außerparlamentarische Opposition« interessant.

Die Kooptation zwischen afroamerikanischen GIs sowie Aktivist*innen der Partei in den USA sowie der bundesdeutschen Studentenbewegung ist Thema von Schmelzers Buch. Er berichtet von zahlreichen Kontakten und Kampagnen zwischen weißen Studierenden und Aktivist*innen der Partei und verdeutlicht, dass diese von beiden Seiten gesucht und gestaltet wurden. Weil die Auseinandersetzung mit »1968« im heutigen Deutschland zumeist auf die Zentren Berlin und Frankfurt am Main fokussiert, ist es als eine der großen Stärken dieses Buches zu werten, dass es den Blickwinkel erweitert, die Provinz einbezieht. An vielen Beispielen verdeutlicht Schmelzer, wie sich die Solidarität vor allem in kleinen westdeutschen Städten, in denen es US-amerikanische Kasernen gab, entwickelte und zu einer bundesweiten Bewegung anwuchs.

Schmelzers Buch basiert auf seiner akribischen Lektüre von zahlreichen Untergrundzeitschriften wie die »Voice of the Lumpen«, in der sich Soldaten, die mit der »black revolution« sympathisierten, politisch äußerten. Die mehr oder weniger klandestin produzierte Zeitschrift erschien in einer Auflage von rund 20 000 Exemplaren und hatte damit deutlich mehr als nur subkulturelle Bedeutung. Sie skandalisierte den Rassismus innerhalb der US-Armee und beanspruchte, die BPP in Deutschland zu vertreten. Die Zeitung wurde von Schwarzen GIs verfasst und von deutschen Studierenden gedruckt, vertrieben und rezipiert. Daraus entwickelte sich eine intensive Zusammenarbeit.

Zwar war diese transnationale Allianz politisch produktiv, die ambivalente Faszination der radikalen Linken für »Afroamerika« führte jedoch auch zu Auseinandersetzungen mit Themen wie Identität und kultureller Aneignung. Die deutschen Studierenden verstanden sich als Teil eines gemeinsamen internationalen Befreiungskampfs, was sie durch gemeinsame Zeichen (Lederjacke etc.) verstärken wollten. Bereits das Tragen langer Haare wurde als Versuch gewertet, aus deutscher Perspektive mit »Afroamerika« zu verschmelzen. Einher ging dies mit einer zeitgenössischen Affinität für Blues und Jazz. Dabei versuchten sich auch die deutschen Linken als Opfer staatlicher Repression darzustellen, was häufig mit einer Relativierung des Rassismus einherging und wenig diskutiert und reflektiert wurde. Den deutschen Studierenden erlaubte es jedoch, zumindest für einen Augenblick auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen.

Schmelzer beschreibt vielfältige Vorurteile und zeichnet somit das Bild einer spannungsvollen Protestdynamik. Auf Seiten der Studierenden kam es zu Exotisierungen und zur Reproduktion kolonialer Stereotypen. Die GIs waren vielfach eine Projektionsfläche für romantisch aufgeladene Bilder von Schwarzen Menschen und der »Dritten Welt«. Im Buch werden allerdings nahezu überhaupt nicht die verschiedenen sozialen Hintergründe der Studierenden und der GIs thematisiert. Während ein Großteil der US-Soldaten aus der Arbeiter- oder Unterklasse stammte, kamen viele deutsche (linke) Studierende aus bürgerlichen und akademischen Familien. Verständigungsprobleme mögen sicher auch daraus entstanden sein, dass sich die Studierenden als intellektuelle Avantgarde verstanden und den GIs mit einem teilweise instrumentellen Blick »von oben« begegneten.

Trotz dieser Leerstelle schafft es Schmelzer einen wenig bekannten Aspekt von »1968« gewinnbringend darzustellen. Leider merkt man dem Buch an zu vielen Stellen und zu deutlich an, dass es aus einer universitären Abschlussarbeit hervorgegangen ist. Schmelzers Sprache ist nicht nur akademisch geprägt, sondern an vielen Stellen sperrig. Da »karikieren« »Ästhetiken ostentiver Entschlossenheit« »rassialisierte Imaginationen«. Es »diffundieren« »Repräsentationen« und »im diskursiven Transfer entstandene Friktionen« »kollidieren« mit »Resonanzen«. Hierbei handelt es sich um zufällig herausgegriffene Beispiele auf einer(!) Seite, die das gesamte Buch durchziehen. Doch der Inhalt lohnt es, sich durch diesen (teilweise aufgesetzten) akademischen Sprachdschungel zu schlagen, macht die Lektüre allerdings unnötig schwer.

Pablo Schmelzer: Black and White, unite and fight. Die deutsche 68er-Bewegung und die Black Panther Party.
Hamburger Edition. 248 S., geb., 30 €.

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