S-Bahn zieht Konsequenz aus Entgleisung

Neue Dienstanweisung soll einen erneuten Vorfall am Bahnhof Friedrichstraße verhindern

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die S-Bahn Berlin GmbH hat als Reaktion auf die Entgleisung eines Zuges Mitte Dezember kurz vor dem Tunnelbahnhof Friedrichstraße eine neue Weisung für das Zugpersonal veröffentlicht. Muss ein Zug bei der Fahrt von der Oranienburger Straße in Richtung Süden in einem rund 150 Meter vor dem Beginn des Bahnsteigs an der Friedrichstraße beginnenden Bereich anhalten, darf die Weiterfahrt in dem Abschnitt nur noch in Schrittgeschwindigkeit erfolgen. Die »nd« vorliegende Anordnung gilt ab kommenden Montag für die Züge der Nachwende-Baureihe 481. Mit 500 im Einsatz befindlichen sogenannten Viertelzügen aus je zwei Wagen ist es der meistverbreitetste Typ im Berliner Netz. Im Fahrgastbetrieb kommen auf den durch den Nord-Süd-Tunnel führenden Linien S1, S2, S25 und S26 ausschließlich Fahrzeuge dieser Baureihe zum Einsatz.

Dass die Weisung auf den Unfall im Dezember zurückzuführen ist, verrät folgender Satz der Anordnung: »Im Zusammenhang mit der Ereignisuntersuchung der Entgleisung im Dezember 2021 ist es geboten, ein Anhalten in diesem Bereich zu vermeiden.« Für den unplanmäßigen Halt gelte die betriebliche Weisung, bis andere Maßnahmen umgesetzt wurden. Laut Eisenbahnkennern könnte die Vorschrift auf einen Zusammenhang mit der Federung der Drehgestelle hinweisen.

Zur Entgleisung kam es am 15. Dezember 2021. »Gegen Mitternacht sprang ein Drehgestell eines Wagens der S2 auf der Strecke zwischen den Bahnhöfen Oranienburger Straße und Friedrichstraße aus den Gleisen«, teilte die Bundespolizei am Tag darauf mit. Da der Zug nach Lichtenrade noch vollständig in den Bahnhof Friedrichstraße einfuhr, konnten die 30 Reisenden ihn unverletzt verlassen.

Tagelang stand der entgleiste Zug im Bahnhof Friedrichstraße. Nach nd-Informationen hatte das Eisenbahn-Bundesamt die Strecke für die Rekonstruktion des Grundes der Entgleisung durch die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung gesperrt. Nachdem der Zugverkehr zunächst in dem Bereich komplett unterbrochen war, passierte nur die S1 über das verbliebene befahrbare Gleis in beiden Richtungen die Unfallstelle.

Schnell machte damals der Verdacht die Runde, dass hier »Toleranzen ausgereizt« worden seien. Das kann beispielsweise die korrekte Lage der Gleise im Schotterbett sein, aber genauso auf das Profil der Schienen, der Räder oder eben auf die Federung des Zugs zutreffen. Für alles gibt es gewisse Toleranzen, bevor eingegriffen werden muss.

Bisher hat die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) keinen Bericht vorgelegt, doch »spätestens zum Jahrestag des Ereignisses wird ein Zwischenbericht der BEU erscheinen«, erklärt ein Sprecher auf nd-Anfrage. Der Zeitraum liegt im normalen Rahmen. »Sicherheitsempfehlungen hat die BEU im laufenden Verfahren derzeit nicht ausgesprochen«, so der Sprecher weiter.

Die Strecke gleicht mit ihren engen Kurven und dem häufigem Wechsel zwischen bergauf und bergab eher einer Achterbahn. Zuletzt entgleiste an praktisch derselben Stelle im Jahr 2008 ein historischer S-Bahn-Zug. Die Bergung dauerte damals knapp 24 Stunden.

Gehäuft kam es zu Entgleisungen nach der Übernahme des West-Berliner S-Bahn-Betriebs von der Deutschen Reichsbahn durch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) im Jahr 1984. Das im Eisenbahnbetrieb unerfahrene Unternehmen hatte das Profil der S-Bahn-Räder nach der abweichenden Bundesbahn-Norm geschliffen. Zu den Entgleisungen beigetragen haben dürfte auch der damals schlechte Zustand der Strecke. 1987 erließ die BVG als Reaktion eine Weisung mit praktisch dem gleichen Inhalt wie die nun getroffene Regelung.

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