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Die Frankreich-Rundfahrt der Frauen macht große Lust auf mehr
Die erste Tour de France der Frauen begeistert alle Beteiligten – und kann dennoch nur langsam wachsen
Die Tour de France der Frauen macht Lust auf mehr. Das gilt für die Freiwilligen, die am Sonnabend auf dem Markstein die Weideflächen abgesperrt und die Fans der Frankreich-Rundfahrt freundlich darauf hingewiesen hatten, die Vegetation in einem Zustand zu hinterlassen, dass sie den eigentlichen Bewohnern, den Rindern, Schafen und Ziegen, weiter zum Festmahl tauge. »Es ist ein schönes Rennen. Die Stimmung ist prima. Und wir kennen das ja schon von der Elsass-Rundfahrt. Es ist gut, dass die Frauen jetzt auch ein eigenes Rennen haben«, erzählt Pierre, der an seinem improvisierten Stand Baguettes und selbst gezapftes Bier verkaufte – und sich ganz offiziell in einer Kampagne für nachhaltige Landwirtschaft einsetzt.
Bei den Teilnehmerinnen war die Begeisterung ohnehin riesig. »Es ist fantastisch, hier Rennen zu fahren. Die Atmosphäre ist einfach großartig«, sagt Lisa Brennauer zu »nd«. Mit dieser Einschätzung ist sie nicht allein. Ob junge Fahrerinnen mit noch wenig Rennkilometern in den Beinen oder ganz erfahrene Sportlerinnen – alle waren angetan von der neuen Rundfahrt. »Die Stimmung ist enorm. Man merkt: «Die Tour ist die Tour», berichtet die aktuelle Straßenweltmeisterin Elisa Balsamo «nd». Die Italienerin konstatierte sogar: «Der Zuspruch ist noch viel größer als beim Giro Rosa.» Die Frau im Regenbogentrikot würde nie etwas auf die große Rundfahrt in ihrer Heimat kommen lassen. Aber «Le Tour ist Le Tour» – das dürfen jetzt auch die Frauen erleben.
Sportlich war die Frankreich-Rundfahrt abwechslungsreich. Die Flachetappen dominierte der Sprintstar des Frauenpelotons, die Niederländerin Lorena Wiebes. Sie gewann zwei Etappen, trug zwischenzeitlich auch das Gelbe und das Grüne Trikot. Ihr gleich tat es Landsfrau Marianne Vos. Auch sie gewann zwei Etappen und streifte sich beide Trikots über. Vos in Gelb – das war ein historischer Moment. Denn sie hatte sich jahrelang an vorderster Front für eine Tour de France der Frauen beim Rennorganisator Aso eingesetzt. «Ich konnte doch nicht meine Karriere beenden, ohne jemals das Gelbe Trikot getragen zu haben», sagt die 35-Jährige jetzt strahlend.
Die Berge dominierte eine weitere Niederländerin. Annemiek van Vleuten legte am Sonnabend einen 80 Kilometer langen Parforceritt über drei Vogesengipfel hin. Positiv für den sportlichen Aspekt war, dass alle drei Protagonistinnen für jeweils andere Teams fahren. Sonst hätte man sich bei einer erweiterten Oranje-Meisterschaft fühlen müssen. Van Vleuten ist für den spanischen Rennstall Movistar aktiv, Wiebes für DSM und Vos für Jumbo Visma.
Die Dominanz der Niederländerinnen drückt sich im Radsport der Frauen insgesamt und auch ganz konkret bei der Tour sowohl qualitativ wie quantitativ aus. Sie stellten mit 28 Starterinnen das größte Aufgebot, mehr noch als die Gastgebernation Frankreich mit 25. Zweistellig war noch Italien vertreten mit 17 Fahrerinnen. Vier der 14 World-Tour-Rennställe kommen aus den Niederlanden – eine Weltmacht in diesem Sport also.
Zwischen die drei niederländischen Etappensiegerinnen mischten sich nur noch die Dänin Cecilie Uttrup Ludwig und die Schweizerin Marlen Reusser. Für deutsche Starterinnen war – ähnlich wie bei der Tour der Männer – wenig zu holen. Die stärksten deutschen Fahrerinnen Brennauer und Liane Lippert hatten in ihren Teams eher Helferinnenaufgaben zu erfüllen. Eine Topsprinterin oder eine Bergfahrerin der Extraklasse fehlen. Der Bund Deutscher Radfahrer läuft hier Gefahr, den Absprung in eine neue Ära im Radsport der Frauen zu verpassen.
Dass es sich um den Beginn einer neuen Zeitrechnung handelt, ist unumstritten. «Mit der Tour wird ein ganz neuer Standard gesetzt. Nicht unbedingt sportlich. Es bleibt ein Radrennen, so, wie wir auch den Giro haben. Aber in Sachen Marketing, Organisation und medialer Aufmerksamkeit ist die Tour auf einem neuen Niveau und wird zur Entwicklung des Frauenradsports sicher beitragen», schätzt Ronny Lauke ein. Er ist der Chef des einzigen in Deutschland lizenzierten World-Tour-Rennstalls Canyon SRAM Racing.
Die große Frage ist nun aber, in welche Richtung sich die Branche entwickelt. Denn dem schnellen Wachstum sind Grenzen gesetzt. «Viele Rennställe haben jetzt schon Probleme, in dem dichten Rennkalender alle Rennen mit kompletten Teams zu befahren. Ab 2026, wenn eine Startpflicht für World-Tour-Rennen gilt, wird es noch schwieriger», meint Lauke. World-Tour-Rennställe der Frauen haben 13 bis 15 Athletinnen im Team, 29 bis 34 Fahrer sind es bei den Männern. Mehr geben die Etats nicht her, die im Schnitt etwa ein Zehntel der Männerbudgets aufweisen. Haben Männerteams um die 20 Millionen Euro zur Verfügung – mit Ausreißern nach oben wie Ineos Grenadiers mit 40 Millionen sowie nach unten mit 13 Millionen wie bei Cofidis –, so sind es bei den Frauenteams in der World Tour etwa eine bis drei Millionen Euro.
Die geringere Zahl an Athletinnen führt dazu, dass Frauenrennställe eher selten parallel stattfindende Rennen besetzen können. «Wir können aktuell anderthalbgleisig fahren mit unseren 15 Sportlerinnen. Würde ich das auf einen doppelgleisigen Rennbetrieb mit vielleicht 18 Fahrerinnen aufstocken, bräuchte ich auch mehr Mechaniker, mehr Physiotherapeuten, mehr Fahrzeuge und mehr Material. Auch mehr Reisetage stünden an. Das würde mich etwa eine Million Euro mehr kosten», rechnet Lauke «nd» vor.
Wegen der begrenzten Möglichkeiten der Rennställe ist auch das Wachsen der Tour limitiert. Hinzu kommen die größeren Leistungsunterschiede im Peloton. Nach sieben Renntagen und der ersten Bergetappe war bei den Frauen die Achtplatzierte, Évita Muzic aus Frankreich, bereits mehr als zehn Minuten hinter van Vleuten in Gelb zurück. Bei den Männern lag zum gleichen Zeitpunkt der 35. im Klassement, der Kanadier Michel Woods, noch weniger als acht Minuten hinter dem damals führenden Tadej Pogačar. Abgeschlagen mit mehr als einer Stunde Rückstand waren nur fünf männliche Profis; beim kleineren weiblichen Peloton lagen 20 Fahrerinnen bereits mehr als eine Stunde zurück. Bei mehr Renntagen vergrößern sich die Abstände weiter. Deshalb will auch Frauentour-Chefin Marion Rousse das Rennen eher behutsam aufbauen – und peilt erst in einem Zeitraum von fünf Jahren eine Erhöhung auf zehn Renntage an. Das klingt realistisch.
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