Gefangen in alten Kämpfen

Die Linke wollte auf ihrem Parteitag zentrale Fragen klären, doch kämpft weiter mit Sahra Wagenknecht und Co.

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 3 Min.
Sahra Wagenknecht (Die Linke) nimmt vor ihrer Rede bei der Sitzung des Bundestags die Maske ab. Bild: dpa
Sahra Wagenknecht (Die Linke) nimmt vor ihrer Rede bei der Sitzung des Bundestags die Maske ab. Bild: dpa

Wer hat hier eigentlich wen angegriffen? Folgt man diversen Äußerungen von Sahra Wagenknecht, so gewinnt man den Eindruck, als wäre Deutschland, insbesondere die Grünen, hauptverantwortlich für die Situation in der durch Putin angegriffenen Ukraine.

Ein Tweet der ehemaligen Fraktionsvorsitzenden hatte am Montag eine neuerliche Debatte um ihre Person ausgelöst. Eigentlich wollte Wagenknecht darauf hinweisen, dass unter einer von den Grünen mitgeführten Bundesregierung nun ein Kohlekraftwerk zurück ans Netz gehen soll, um Energiesicherheit zu gewährleisten: »Klimawandel war für Grüne gestern wichtig«, schrieb sie. Stattdessen aber habe ein »wahnsinniger Krieg gegen Russland für frühere Ökopartei Top-Priorität«. Mit diesem Satz verursachte sie eine Welle der Empörung, von »Täter-Opfer-Umkehr« war in den Reaktionen auf den Tweet zu lesen. Am Dienstag stellte Wagenknecht dann klar, dass »selbstverständlich« auch für sie der Krieg durch Russland ausgelöst worden sei.

Doch ist das noch glaubwürdig? Immer wieder vermittelt Wagenknecht den Eindruck, als wolle sie den Angriffskrieg Russlands relativieren. Am Dienstag folgten eilige Klarstellungen aus Partei und Fraktion. Die Ko-Parteivorsitzende Janine Wissler warf Wagenknecht eine »Verdrehung der Fakten« vor. Besonders deutlich wurden die Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg und Martina Renner, die Wagenknecht zum Austritt aufforderten beziehungsweise die Fraktion zur Trennung von ihr.

Auf ihrem Parteitag in Erfurt hatte Die Linke mehrere wegweisende Beschlüsse gefasst. Erstens: Sie verurteilt den russischen Angriffskrieg »aufs Schärfste« und setzt sich für eine Bestrafung der Verantwortlichen ein. Zweitens: Der Import von fossilen Energieträgern aus Russland solle schnellstmöglich stärker eingeschränkt werden, in diesem Zusammenhang nahm die Partei auch Abstand von ihrer einstigen Befürwortung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Drittens: Die Linke verurteilt alle sexuellen Übergriffe und verspricht Aufklärung des #LinkeMeToo-Komplexes.

In der Realität aber gehen die alten Kämpfe weiter, nicht nur mit Wagenknecht. Klaus Ernst, immerhin Vorsitzender des Klimaausschusses im Bundestag, fordert weiter eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Spätestens seit Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine kurz vor der Landtagswahl im Saarland die Partei verlassen hatte, wird auch über einen Rückzug der einstigen Fraktionschefin spekuliert. Tatsache ist jedoch, dass aktuell eher jene Genoss*innen die Partei verlassen, die sich für eine Erneuerung in puncto Klima- und Außenpolitik sowie für eine Aufarbeitung von #LinkeMeToo einsetzen. Das heißt: die Positionen im Sinne einer deutlichen Kritik an der Politik Putins und einer gemeinsamen Betrachtung von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit stärken wollen.

Das Linksjugend-Mitglied Sarah Dubiel, das wie der gesamte Jugendverband auf Aufklärung der Vorwürfe sexueller Gewalt in der Linken drängt, trat bereits vor einigen Wochen aus. Nun hat auch die rheinland-pfälzische Ko-Landesvorsitzende Melanie Wery-Sims ihren Hut genommen. In einer auf Twitter veröffentlichten Erklärung schreibt sie, dass ihr Eintritt vor sechs Jahren eine »Überzeugungstat« gewesen sei. Doch dann sei sie in »innerparteiliche Kämpfe«, in »uralte Streitigkeiten« geraten. Je höhere Posten sie bekam, desto hässlicher seien »die Auseinandersetzungen und Anfeindungen« geworden. Insbesondere kritisiert Wery-Sims den Umgang mit #LinkeMeToo als »unsäglich«. Auch die unklare Haltung mancher Genoss*innen zu Russland stößt ihr übel auf. So berichtet sie, dass sie gefragt worden sei, wo denn ihr »FCK Obama«-Shirt sei, als sie ein Foto mit einem »FCK Putin«-Shirt postete.

Nicht zuletzt beschuldigt sie Janine Wissler: Als Wery-Sims auf dem Parteitag für das Amt der Bundesschatzmeisterin kandidierte, soll die Parteichefin ihr gesagt haben, dass man sie nicht bezahlen könne. Wollte sie Wery-Sims von einer Kandidatur abbringen? Wissler revidiert auf Anfrage des »nd«: »Ich bin mehr als irritiert, dass sie aus einem persönlichen Telefonat zitiert und dann auch noch sinnentstellend.« Sie habe Wery-Sims lediglich mitgeteilt, dass sie den Gegenkandidaten Harald Wolf unterstütze, der letztlich auch die Wahl gewann.

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