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Keine Bleibeperspektive ab September
Drittstaatsangehörigen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, droht mit Ende der Übergangsregelung die Illegalisierung
In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Elif Eralp und Ferat Koçak hat die Berliner Innenverwaltung zur Situation geflüchteter Drittstaatsangehöriger Stellung genommen. In dem Schreiben, das »nd« exklusiv vorliegt, erklärt Torsten Akmann (SPD), Staatssekretär für Inneres, dass keine gesonderten Daten über Geflüchtete aus der Ukraine ohne ukrainische Staatsbürgerschaft gesammelt würden. Deswegen gebe es keine Daten zur Anzahl ausgestellter Aufenthaltstitel für Drittstaatler.
Zahlen wären hilfreich, um einzuschätzen, wie viele Geflüchtete sich über den Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes für mindestens zwei Jahre in Berlin aufhalten dürfen – und wie vielen nach dem 31. August der Verlust eines sogenannten Überbrückungsaufenthalts droht. Denn bisher hat der Berliner Senat keine Schritte unternommen, um den mehrheitlich schwarzen Geflüchteten ohne ukrainischen Pass ab September eine Bleibeperspektive zu eröffnen.
Der Berliner Rechtsanwalt Alexander Gorski rechnet mit einer Welle plötzlich illegalisierter Geflüchteter. »Wir steuern darauf zu, dass sehr viele Anträge abgelehnt und Menschen dadurch ausreisepflichtig werden«, sagt er zu »nd«. Auch ohne Zahlen ist klar: Die Situation von internationalen Studierenden, binationalen Familien und Menschen, die aus anderen Gründen keinen ukrainischen Pass oder permanenten Aufenthaltstitel vorlegen können, ist prekär.
Die Ausweitung oder Ergänzung des Paragrafen 24 wäre zwar Bundesangelegenheit. Berlin hätte aber die Möglichkeit, Spielräume zu nutzen, so weit es geht. Gorskis Erfahrung ist jedoch, dass das Landesamt für Einwanderung (LEA) Weisungen eher eng auslegt. Das liege auch an einem Mangel an rechtlicher Klarheit. »Sachbearbeiter*innen sind überfordert, und wenn die Vorgesetzten auch nicht weiter wissen, wird eher nichts getan, anstatt den Aufenthaltsantrag anzunehmen. Und wenn es keine anwaltliche Vertretung gibt, wird einfach abgelehnt.«
Er denke an Fälle, bei denen Kinder von Drittstaatsangehörigen in der Ukraine geboren und damit Ukrainer seien, das LEA aber eine Bestätigung der Staatsangehörigkeit von der ukrainischen Botschaft verlange, die sich wiederum nicht zuständig sehe. So kämen selbst Menschen, die die Bedingungen von Paragraf 24 erfüllen könnten, nicht zu ihrem Recht, sagt Gorski.
Der Senat könnte das LEA dazu anhalten, flächendeckend sogenannte Fiktionsbescheide für diejenigen auszustellen, die nicht unter Paragraf 24 fallen. Während einer langen Wartezeit nach Antragstellung würde so ein Papier als Ausweis und Aufenthaltserlaubnis gelten. In der Pressemitteilung zur Anfrage fordert Elif Eralp, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, derartige Bescheide mit 12- bis 18-monatiger Dauer: »Schließlich sind alle vor demselben Krieg geflohen und müssen auch alle die gleichen Rechte haben.« Bisher macht das LEA laut Gorski nur in Einzelfällen von der Option Gebrauch.
Die Innenverwaltung verweist in der Antwort stattdessen auf den »Aufenthaltstitel zu Studienzwecken« nach Paragraf 16b. Doch hierfür müssen Antragsteller*innen finanziell unabhängig sein, also entweder 10.000 Euro auf dem Konto oder einen Komplettbürgen in Berlin vorweisen können. »Für die meisten ist das unmöglich«, so Gorski.
Auch die Beratung Drittstaatsangehöriger lässt zu wünschen übrig. Eine »individuelle Rechtsberatung (…) findet im Ukraine-Aufnahmezentrum Tegel (UA Tegel) nicht statt«, heißt es in der Antwort auf die Anfrage. Gorski erinnert sich, dass besonders in den ersten Monaten einige schwarze nichtukrainische Geflüchtete von Bundespolizei oder Ausländerbehörden falsch beraten worden seien. »Da hieß es: Wenn ihr Schutz wollt, müsst ihr Asyl beantragen, und es wurde nicht auf die Zwischenlösung hingewiesen.«
Was die Innenverwaltung vorweisen kann, ist eine »hochschulübergreifende Informations- und Koordinierungsstelle« für geflüchtete Studierende. Vom Ukraine-Krieg Betroffene mit Immatrikulation können außerdem eine Unterstützung von 1000 Euro beantragen. Wie das einen ab September unsicheren Status klären soll, erläutert die Verwaltung unter Iris Spranger (SPD) nicht. Gorski rechnet mit vielen Asylanträgen, sobald die Übergangsregelung ausläuft – dadurch gewännen Menschen Zeit, könnten aber als Asylsuchende nicht arbeiten oder studieren. »Selbst in einer neoliberalen Migrationspolitik macht das keinen Sinn«, findet der Anwalt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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