Visa für Russen sind eine Notwendigkeit, kein Privileg

Daniel Säwert über touristische Schengen-Visa für Russ*innen

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 2 Min.

»Europa zu besuchen ist ein Privileg und kein Menschenrecht«, twitterte die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas vor einigen Tagen und forderte, keine Touristenvisa für den Schengenraum mehr an Russ*innen auszustellen. Das lettische Parlament ging sogar noch einen Schritt weiter und verlangte, bereits ausgestellte Visa ungültig zu machen. Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew kritisierte den Vorstoß heftig und drohte Estland. Die heftige Reaktion aus Moskau sei der Beweis, Russlands Achillesferse getroffen zu haben, erklärte Kallas daraufhin.

Seit dem Beginn von Russlands Krieg in der Ukraine und der gegenseitigen Sperrung des Luftraums tragen die baltischen Staaten die Hauptlast des Verkehrs zwischen Russland und der EU. Über 8000 Russ*innen fuhren in den ersten drei Tagen nach Aufhebung der Corona-Beschränkungen vor einem Monat in die kleine Nachbarrepublik. Das ist viel, doch Kallas irrt, wenn sie glaubt, die Russ*innen würden »in Massen« mit estnischen Visa über die Republik nach Europa reisen, um dort Urlaub zu machen, während ihr Präsident in der Ukraine morden lässt. Erschreckend viele Russ*innen unterstützen Putins Politik, das ist richtig. Der Vorschlag, keine Touristenvisa mehr auszustellen, kommt indes einer Sippenhaft gleich. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat angemerkt, dass man nur diejenigen bestrafen sollte, die für den Krieg verantwortlich sind. Touristenvisa sind für die meisten Russ*innen die einzige Möglichkeit, in die EU zu gelangen. Dabei geht es sehr oft nicht um Urlaub, sondern um Verwandtenbesuche oder die Flucht aus der immer repressiver werdenden Heimat. Ein Schengen-Visum zu bekommen ist für Russ*innen sehr schwer, daran hat sich trotz aller humanistischen Versprechen der deutschen Außenministerin nichts geändert. Die EU muss offen bleiben.

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