• Politik
  • Sozialproteste gegen Inflation

Der heiße Herbst soll am Mittwoch beginnen

Während die Linke über Montagsdemos streitet, ruft ein Bündnis zu Protest gegen die FDP auf

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 5 Min.

Nachdem am Montag die Höhe der Gasumlage bekanntgegeben wurde, mit der die erhöhten Beschaffungskosten von Großimporteuren auf die Verbraucher*innen abgewälzt werden sollen, hat die Linkspartei der Bundesregierung einen heißen Herbst der Proteste versprochen. »Ich hatte Ihnen ja einen heißen Herbst der sozialen Proteste gegen die soziale Kälte der Bundesregierung angekündigt«, erklärte etwa Co-Parteichef Martin Schirdewan am Montag. Weil sich die Bundesregierung für einen unsozialen Kurs entschieden habe, »werden wir diesen Protest mit unterstützen, werden ihn da, wo wir können, auch mit organisieren«. Auch der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, sprach davon, dass man einen »heißen Herbst der Proteste gegen die Energiepolitik der Bundesregierung« brauche.

Doch während sich Partei-Politiker*innen öffentlich über den Charakter der Proteste streiten, ist man in der Bewegungslinken schneller. Das Bündnis »Wer hat, der gibt« ruft bereits für diesen Mittwochabend zu Protesten vor der FDP-Parteizentrale in Berlin-Mitte auf. »Das Leben wird unbezahlbar, die Gasrechnungen werden viele in die finanzielle Krise stürzen, für das 9-Euro-Ticket gibt es wohl keine Verlängerung, derweil profitieren mal wieder die Konzerne und nun sollen auch noch die Reichsten steuerlich entlastet werden«, heißt es in dem Aufruf des Bündnisses. Für all das sei Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner persönlich verantwortlich. »Er ist eine Gefahr für den sozialen Frieden und muss weg.«

»Wer hat, der gibt« ist ein Bündnis aus verschiedenen linken Gruppen und Einzelpersonen. Es wurde 2020 als Reaktion auf die Corona-Politik der damaligen Bundesregierung gegründet und setzt sich unter anderem für eine Umverteilung von oben nach unten sowie die Entprivatisierung der öffentlichen Infrastruktur ein. Zuletzt organisierte es unter dem Motto »SyltEntern – Klassenfahrt zu den Reichen« einen Aktionstag auf der Nordseeinsel.

»Wir hoffen, dass viele Menschen, die so wie wir die Wut über die steigenden im Alltag spüren, mit uns auf die Straße kommen«, erklärte Bündnissprecher Mio Decker bezüglich der nun anstehenden Aktion gegenüber »nd.DerTag«. Auch wenn sich die Wut nun erstmal gegen die FDP richtet, schließt er nicht aus, mit seinem Bündnis auch zu anderen Parteizentralen zu ziehen: »Die ganze Ampel ist das Problem. Der heiße Herbst fängt erst an.«

Auch in der Linkspartei werden offenbar fleißig Aktionen organisiert. An einem Aktionstag am 28. August für den Erhalt des 9-Euro-Tickets arbeitet man laut Parteikreisen maßgeblich mit. Außerdem will man Mitte September bundesweit gegen die Inflation auf die Straße gehen. »Am 17.9. wird’s richtig heiß. Wir wollen in möglichst vielen Kreisverbänden Aktionen gegen die Teuerungen durchführen«, heißt es dazu auf der Internetseite der Partei.

Doch werden diese Vorbereitungen derzeit in der Öffentlichkeit von einem Streit über den Charakter der kommenden Proteste überschattet. Der Auslöser waren Äußerungen des Leipziger Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann: Die Gasumlage sei ein »Schlag gegen den Osten«, weil dort Einkommen und Rücklagen geringer seien, so der Linken-Politiker, dem eine Nähe zur umstrittenen Sahra Wagenknecht nachgesagt wird. »Die Menschen sollten sich wehren. Wir brauchen neue Montagsdemos im Osten wie damals gegen Hartz IV«, rief er in Anlehnung an die Proteste gegen den neoliberalen Umbau des Sozialstaats unter Rot-Grün vor fast zwei Jahrzehnten zu neuen Montagsdemos auf.

Doch es gibt auch Linke-Politiker*innen, die mit Montagsdemos keine Sozialproteste mehr verbinden, seit die rechtsextreme Pegida-Bewegung sowie Corona-Leugner*innen montags auf die Straße gingen. Sie halten den Aufruf zu Montagsdemos deswegen für keine gute Idee. Auch, weil sich die rechtsextreme Gruppierung »Freie Sachsen« bereits positiv auf Pellmanns Aufruf zu den Montagsdemos bezog.

»Es besteht die Notwendigkeit lauter sozialer Proteste. Kräftig, links. Klare Kante, auch und gerade auf der Straße! Aber bitte erst denken, dann reden. ‚Montagsdemos› verbieten sich, sind rechts besetzt. Die #FreienSachsen jubeln schon«, warnte etwa die sächsische Linke-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz auf Twitter vor einer möglichen Vereinnahmung der Proteste durch Rechte.

Auch Thürings Ministerpräsident Bodo Ramelow schloss sich dieser Warnung an. »Die Linke kämpft für einen wirksamen Schutzschirm über alle Optionen, in Bundestag und Bundesrat«, sagte der Linke-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Bei sozialen Protesten bitte aber die Abstandsregel zu rechtsradikalen Organisatoren beachten. Die Rechten wurden zu Recht kritisiert, als sie sich der Symbolik der Montagsdemonstrationen bemächtigt haben.«

Es gibt aber auch Stimmen, die gerade deswegen davor warnen, den Rechten Montags das Feld zu überlassen. So ist für Luigi Pantisano die Debatte um die Montagsdemos »stark emotionalisiert«. Natürlich müsse man aufpassen, dass die Proteste keinen völkischen oder rechtsextremen Charakter kriegen, sagt das Bundesparteivorstandmitglied aus Stuttgart gegenüber »nd.DerTag«. »Aber wenn Rechte die Montagsdemos für sich vereinnahmen wollen, dann sollte uns das nicht daran hindern, montags für soziale Gerechtigkeit auf die Straße zu gehen. Die Linke muss jetzt auf der Straße sein, für die Menschen, die unter Gaspreiserhöhung und Gasumlage leiden und im kommenden Winter auch noch frieren sollen.«

So verweist der Linken-Politiker darauf, dass man Stuttgart bereits seit über 10 Jahren gegen das Bahnprojekt S21 als Linke auf die Straße geht. »Wir bringen hier Aufklärung, Protest und Opposition auf die Straße. Demokratisch und Solidarisch«, schreibt Pantisano auf Twitter.

Auch bei der Bewegungslinken sieht man die Diskussion entspannter. »Wir brauchen eine soziale Bewegung, die regelmäßig auf die Straße geht. Da ist es erst einmal egal, ob es montags oder dienstags ist«, sagt Mio Decker vom Bündnis »Wer hat, der gibt«. Er hat indes keine Angst, dass Nazis oder Verschwörungstheoretiker zu den Protesten des Bündnisses kommen. »Und wenn sie kommen, werden wir sie rausschmeißen.«

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