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  • Antidiskriminierungsbericht

Unklare Zahlen, klarer Reformbedarf

Die Arbeit gegen Diskriminierung in Deutschland bleibt absolut notwendig

  • Lilli Mehne
  • Lesedauer: 4 Min.

»Diskriminierung gehört zum Alltag in Deutschland«, sagte Ferda Ataman, die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, bei der Vorstellung des Jahresberichtes der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. 5617 Anfragen mit Bezug auf mindestens eines der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Merkmale gingen im Jahr 2021 bei der staatlichen Stelle ein. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Anfragen ein wenig zurückgegangen – vernachlässigt man allerdings die mit Corona-Bezug, gab es sogar einen leichten Anstieg.

Die zwei häufigsten Diskriminierungsmerkmale waren ethnische Herkunft mit 37 Prozent und Behinderung mit 32 Prozent, gefolgt von Geschlecht mit 20 Prozent und Alter mit zehn Prozent. Allerdings befand sich mehr als ein Drittel dieser Fälle außerhalb des vom AGG geschützten Bereichs, wozu unter anderem auch Diskriminierung bei Ämtern, Behörden, im Bildungsbereich und auf sozialen Medien gehören. Ataman forderte neben einer Stärkung staatlicher und zivilgesellschaftlicher Beratungsangebote die Verlängerung von Klagefristen. Das AGG gibt Betroffenen aktuell nur zwei Monate, um rechtliche Ansprüche geltend zu machen, was in vielen Fällen laut der Bundesbeauftragten nicht ausreicht.

Für Eva Andrades vom Antidiskriminierungsverband Deutschland ist klar, »dass das Gesetz unzureichend ist und reformiert werden muss«. Bei der Vorstellung des Berichtes fordert sie die Schließung von Schutzlücken mit Blick auf die Ausnahme von staatlichen Institutionen, die im aktuellen AGG festgeschrieben ist. Die Reform des AGG ist im Koalitionsvertrag festgehalten und laut Ataman solle dazu bis zum Ende des Jahres ein Eckpunktepapier der Bundesregierung vorliegen. Die Bundesbeauftragte machte sich bei ihrer ersten Vorstellung eines Jahresberichtes für mehr Kompetenzen für die Antidiskriminierungsstelle stark und verwies darauf, dass ähnliche Gesetze in anderen EU-Ländern wesentlich mehr Diskriminierungsmerkmale erfassen würden. Auf Nachfrage von »nd.Der Tag« nach einer möglichen Anerkennung von Diskriminierung aufgrund von Armut erklärt Ataman, dass dieses Thema in Anfragen immer wieder aufgeworfen werde und Lösungen gefunden werden müssen, bleibt aber vage.

Ataman räumt zudem ein, dass die Zahlen im Bericht »nur die Spitze des Eisbergs und nicht repräsentativ« seien. Stattdessen stelle der Bericht ein Lagebild dar, anhand dessen vor allem auch erfasst werden kann, »wo der Schuh drückt«, also insbesondere aufgrund welcher Diskriminierungsformen wie häufig angefragt wird. Hierbei spiele allerdings der öffentliche Diskurs eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Zum Beispiel werde zur Altersdiskriminierung wesentlich weniger oft angefragt als im Vergleich mit Umfragen zu verschiedenen Diskriminierungsformen proportional sei, so Ataman. Umfassende Studien zu Alltagsdiskriminierung seien daher notwendig, um diese Zahlen angemessen erfassen zu können.

Ein weiterer Faktor bei der Frage der Repräsentativität ist die Rolle der Antidiskriminierungsstelle selbst: Dort wird nämlich nicht ermittelt, sondern lediglich Beratung für Betroffene angeboten. Zudem ist ein großer Teil der Arbeit dort die rechtliche Beratung in Diskriminierungsfällen, wobei sich die Frage stellt, für wie viele Betroffene das ein praktikables Vorgehen ist. Das Kostenrisiko sei bei Klagen auf Grundlage des AGG unfair verteilt, kritisierte Andrades und forderte, dass zivilgesellschaftliche Verbände selbst klagen können sollten, anstatt den Betroffenen lediglich zur Seite stehen zu können.

»Sich gegen Diskriminierung zu wehren, ist ein Privileg«, zu dem nicht alle Zugang haben, meinte auch Violeta Balog, Vorstandsmitglied vom Jugendverband Amaro Foro, der sich gegen Antiziganismus einsetzt. Sie betonte die Relevanz von Meldestellen, die von den marginalisierten Gruppen selbst organisiert sind und auf der Seite der Betroffenen stehen. Dadurch sei zusätzlich die Erfassung von Diskriminierung, die nicht strafrechtlich verfolgbar ist, möglich. »Es ist auch wichtig, Fälle zu dokumentieren, bei denen wegen bestimmten Merkmalen Wohnungen nicht erhalten werden oder die Benotung in der Schule anders ausfällt oder banale rassistische Aussagen im Alltag fallen«, so Balog.

Zu Beginn und Ende der Vorstellung des Berichts betonte Ataman außerdem, dass »Antidiskriminierung keineswegs nur für Minderheiten da ist« und übte Kritik am Narrativ der Identitätspolitik. Der Begriff klinge danach, dass manche Personen aufgrund ihrer Identität »besondere Wünsche« äußerten – und das, obwohl lediglich die Rechte, die den Menschen ohnehin zustehen, eingefordert werden. »Diskriminierung spaltet die Gesellschaft, nicht die, die sie ansprechen.«

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