»Die Justiz ist in der Hand der alten Elite«

Miriam Miranda über die Verletzung der Rechte der Garífuna in Honduras auch unter der linken Regierung

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.
Honduras – »Die Justiz ist in der Hand der alten Elite«

Mit Xiomara Castro amtiert in Honduras seit Ende Januar eine linke Präsidentin, die sich die Wahrung der Menschenrechte aller Bürger*innen auf die Fahnen geschrieben hat. Ofraneh, die Organisation, deren Arbeit Sie koordinieren, hatte für den 9.August die Garífuna zur Demonstration in Honduras Hauptstadt Tegucigalpa aufgerufen. Warum?

Interview


Miriam Miranda ist Garífuna (eine afro­karibische Ethnie) und Koordinatorin von
Ofraneh. Die Organisation engagiert sich seit 30 Jahren für die Rechte der Garífuna in
Honduras, gegen Großprojekte und für
kommunale Agrarprojekte. Mit Miranda
sprach Knut Henkel

Es ist leider nicht so, dass sich mit der Wahl einer Regierung von heute auf morgen alles ändert. Das ist ein Trugschluss, denn die kriminellen Akteure und Organisationen verschwinden nicht einfach so von der Bildfläche. Die Interessen, die Konflikte und auch die Drohungen sind weiterhin präsent. Das hat seine Hintergründe, denn es geht hier genauso wie in anderen Regionen des Landes um die Kontrolle der Territorien. Ein halbes Jahr nach der Vereidigung der neuen Regierung und angesichts der Tatsache, dass nichts passiert ist, wollen wir unseren Forderungen nun Nachdruck verleihen. 

Welches sind im Kern die Forderungen von Ofraneh?

Wir wollen, dass die Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte umgesetzt werden. Die drei Urteile bestätigen unsere Ansprüche auf Territorien, die de facto enteignet wurden – über unsere Köpfe hinweg. Wir fordern, dass eine Kommission eingerichtet wird, die die Urteile des Gerichtshofs analysiert, umsetzt und implementiert. 

Wo sehen Sie die größten Widerstände?

In der Justiz. Die obersten Gerichte, auch das Verfassungsgericht, sind weiterhin in der Hand der alten Elite; die Netzwerke um die rechte Partido Nacional sind zumindest teilweise aktiv, und die Handlanger von Juan Orlando Hernández (rechter Ex-Präsident mit Verbindung zum Drogenhandel, d. Red.) sind nicht vom Erdboden verschwunden – sie sind präsent. Die Strategie der Kriminalisierung von Gemeinden im Widerstand, von Aktivisten für die eigenen Rechte, die Umwelt und die Landrechte ist weiterhin sichtbar. Allerdings ist die Situation etwas ruhiger, wir können durchatmen, uns etwas entspannen. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel, die Narco-Diktatur rückgängig zu machen.

Sie fordern auch Aufklärung, Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei im Falle der vier Garífuna-Aktivisten, die vor zwei Jahren von Polizeieinheiten in Triunfo de la Cruz abgeführt wurden und nie wieder auftauchten. Ein Fall gewaltsamen Verschwindenlassens?

Ja, aus unserer Sicht ohne Zweifel. Die vier haben sich gegen die illegale Landnahme von Territorien eingesetzt, die traditionell uns Garífuna gehören. Das könnte der Grund sein für ihr Verschwinden. Wir engagieren uns für die Einrichtung einer speziellen Staatsanwaltschaft für gewaltsam Verschwundene. Derzeit sind drei Staatsanwaltschaften mehr oder minder zuständig, und die Ermittlungen kommen nicht voran – wir sind der Meinung, dass die Fälle gewaltsamen Verschwindenlassens in einer Hand konzentriert sein sollten. Seitdem wir uns engagieren, steigt die Zahl der Personen, die unter gewaltsamen Umständen verschwunden sind, an – und es gibt eine immense Dunkelziffer. 

Sie haben für die Kundgebung das Ministerio Público gewählt, das Justizministerium. Mit welcher Überlegung?

Das Justizministerium ist ein Bollwerk des alten, korrupten, von Seilschaften geprägten Honduras und hat eine Scharnierfunktion. Hier gibt es die größten Widerstände gegen die neue Regierung, die alles andere als stark ist. Wir fordern mit unserer Demonstration und unserer Kundgebung die neue Regierung auf, hier Strukturen aufzubrechen. Vom Justizministerium liegen mehr als 50 Haftbefehle gegen Repräsentanten von Ofraneh und anderen Organisationen vor. Dabei geht es oft um die Durchsetzung von Landrechten – das ist für uns ein fundamentales Thema, denn wir sind von einem Volk mit Land zu einem ohne Land geworden – ohne dass wir gefragt wurden. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Konvention 169 zum Schutz der Rechte indigener Völker der UN-Arbeitsorganisation, die Honduras ratifiziert, aber nicht umgesetzt hat. Auch das ist eine unserer zentralen Forderungen. 

Garífuna demonstratieren in der Hauptstadt Tegucigalpa für ihre Rechte.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -