Schutz von Investitionen hat Vorrang

Französisches Mineralölunternehmen Total soll Kerosin für russische Bomber geliefert haben

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Total-Konzern verdient auch am Geschäft mit Russlands Armee und unterhält enge Beziehungen zum Élysée.
Der Total-Konzern verdient auch am Geschäft mit Russlands Armee und unterhält enge Beziehungen zum Élysée.

Ein von Total in Russland zusammen mit örtlichen Partnern betriebenes Tochterunternehmen hat Kerosin für Kampfflugzeuge geliefert, die im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden. Das haben Journalisten der renommierten Zeitung »Le Monde« in Zusammenarbeit mit der Nichtregierungsorganisation Global Witness ermittelt. Der Konzern hat das zunächst vehement zurückgewiesen, dann aber 24 Stunden später erklärt, er werde seine Anteile an dem Joint Venture an seine russischen Partner verkaufen. Beobachter gehen davon aus, dass Total mit diesem Manöver seine anderen, für die Zukunft wichtigeren Investitionen in Russland absichern will.

Die Journalisten wiesen nach, dass Total Energies 49 Prozent der Anteile an der russischen Firma Terneftgaz hält, die das Erdgasfeld im sibirischen Termokarstowoje ausbeutet. Von dort wird mit der Eisenbahn Gaskondensat an eine Raffinerie nahe der sibirischen Stadt Omsk geliefert, wo unter anderem Kerosin hergestellt wird. Zu 51 Prozent gehört Terneftgaz dem russischen Unternehmen Nowatek, dessen Mehrheitsaktionäre Oligarchen sind. Aber auch Total Energies hält einen Anteil von 19,4 Prozent. Während Total jetzt bei Terneftgaz aussteigt, bleibt der Konzern im strategisch wichtigeren Unternehmen Nowatek.

Nicht glaubwürdig war die anfänglich von Total gegenüber »Le Monde« vorgebrachte Behauptung, aufgrund seiner untergeordneten Rolle im Unternehmen keinen detaillierten Einblick oder Einfluss auf das Tagesgeschäft gehabt zu haben. Später hat der Konzern versichert, das Unternehmen Terneftgaz stelle kein Kerosin für die russische Armee her, sondern nur für den Export. Die Reporter konnten jedoch die Lieferkette von Termokarstowoje über Omsk bis zu zwei Luftwaffenstützpunkten an der Grenze zur Ukraine verfolgen. Die Staffeln dort waren an Angriffen nicht nur auf militärische Ziele in der Ukraine beteiligt, sondern auch auf die Zivilbevölkerung. Dazu gehörte die Bombardierung des Theaters in der Hafenstadt Mariupol. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und dann auch zahlreiche Regierungen hatten sie als Kriegsverbrechen angeprangert.

Den Recherchen zufolge, die sich nicht zuletzt auf die Zahlen des russischen Finanzdienstleisters Refinitiv stützen, erfolgten seit Februar 2022 von der Raffinerie bei Omsk mehrere hundert Treibstofflieferungen an die Stützpunkte Morosowsk und Woronesch. Sie summierten sich bis Ende Juli auf 42 000 Tonnen Kerosin, ausreichend für 3400 Tankfüllungen eines Kampfjets vom Typ Suchoi-Su-34. Total hat »Le Monde« anfänglich »Fehler, Verkürzungen und Unwahrheiten« vorgeworfen und betont, der Konzern behalte sich »angemessene rechtliche Schritte zum Schutz seiner Interessen und seines Ansehens« vor.

Nach dem Angriff auf die Ukraine hatte Total Energies erklärt, man werde in Russland »in keine neuen Projekte investieren«. Zwar kam der Konzern nicht umhin, Russlands »militärische Spezialoperation« zu verurteilen. Wie halbherzig das war, geht aber schon daraus hervor, dass diese Erklärung nur auf den französischen und englischen Internetseiten des Konzerns veröffentlicht wurde, nicht aber auf seiner russischen. Während sich alle anderen westlichen Ölkonzerne und auch nahezu sämtliche französischen Großunternehmen aus Russland zurückgezogen haben, bleibt Total Energies dort weiter aktiv, insbesondere durch das Gemeinschaftsunternehmen Yamal LNG, das in Sibirien Naturgas fördert und zu Flüssiggas verarbeitet.

Auf weitere Vorwürfe, der Konzern habe dank der kriegsbedingten Energieverknappung Milliardengewinne erzielt, hat Total mit einer Public-Relations-Geste gegenüber den geschröpften französischen Autofahrern reagiert. Diesen wird beim Benzinpreis zusätzlich zum Treibstoffsteuernachlass der Regierung im September und Oktober ein Rabatt von 20 Cent pro Liter und anschließend von 10 Cent pro Liter eingeräumt.

Die Regierung in Paris mauert zu den Vorgängen um den Total-Konzern, der bekanntermaßen enge Beziehungen zu Präsident Emmanuel Macron und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire unterhält. Nur der 2017 von den Sozialisten zu Macron gestoßene Clément Beaune hat in einem Interview Stellung bezogen. Der Verkehrsminister erklärte, es handele sich um »extrem schwere Vorwürfe«. Es soll geprüft werden, ob Total »bewusst oder unwissentlich in eine Umgehung der Sanktionen verstrickt ist«.

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