Polen verlangt Billionen-Zahlung von Deutschland

Warschau präsentiert Bericht zu den erlittenen Schäden im Zweiten Weltkrieg

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Datum war bewusst gewählt. Am Jahrestag des deutschen Überfalls wollte die nationalkonservative PiS-Regierung in Warschau ihre Reparationsforderungen an Deutschland stellen. »Heute wird im Warschauer Königsschloss die Entscheidung getroffen und endgültig verkündet, dass Polen Kriegsreparationen beantragen wird, Reparationen für alles, was die Deutschen in Polen in den Jahren 1939 bis 1945 getan haben«, hatte Präsident Jarosław Kaczyński zuvor verkündet. Am frühen Donnerstagnachmittag legte die Regierung schließlich das Gutachten vor. Polen schätzt die Schäden, die Nazi-Deutschland während des Zweiten Weltkriegs im Land verursachte, auf 1,3 Billionen Euro. Es handele sich um eine Summe, welche die deutsche Wirtschaft »perfekt verkraften« könne, »ohne erdrückt« zu werden. Kaczyński selbst gestand, es sei ein »langer und schwieriger« Prozess, bis sein Land das erwünschte Geld erhalte. Ähnlich hatte sich Arkadiusz Mularczyk, Autor des Berichts, geäußert.

Bereits im Vorfeld der Verkündung hatte der Oppositionsführer und ehemalige EU-Ratspräsident Donald Tusk das Vorhaben kritisiert. Der nationalkonservativen Regierungspartei PiS gehe es dabei nicht um Reparationszahlungen von Deutschland, sondern um eine innenpolitische Kampagne, sagte Tusk am Donnerstag bei einem Auftritt in Pommern. »PiS-Chef Jarosław Kaczyński macht kein Geheimnis daraus, dass er mit dieser antideutschen Kampagne den Rückhalt für die Regierungspartei ausbauen will.« Auch die größte polnische Tageszeitung »Gazeta Wyborcza« schrieb mit Verweis auf einen Rechtsexperten, die Forderung der PiS habe keine rechtliche Grundlage und sei rein politischer Natur.

Polnische Opposition kritisiert die Forderung

Die Position der Bundesregierung ist seit vielen Jahren eindeutig: Sie lehnt jegliche Reparationsforderungen ab. Für Berlin ist die Frage mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit abgeschlossen. Im Dezember wies Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Antrittsbesuch in Warschau im Dezember Polens Forderungen nach Weltkriegs-Reparationen zurück. Zugleich verwies er darauf, dass Deutschland »sehr, sehr hohe Beiträge« zur Finanzierung des EU-Haushalts leiste. Polen ist der größte Netto-Empfänger von EU-Geldern.

Polen fühlt sich seit vielen Jahren in der Reparations-Frage nicht berücksichtigt. Die Argumente der Bundesrepublik will man in Warschau nicht gelten lassen. Schließlich war die polnische Regierung nicht in die Zwei-plus-Vier-Verhandlung involviert. Und bis 1990 konnte man wegen des sowjetischen Drucks seine Forderungen nicht verlautbaren, so die Argumentation. Die nationalkonservative PiS-Regierung, die Polen seit 2015 regiert, hat das Thema Entschädigungszahlungen immer wieder aufgebracht. Die PiS rief 2017 für das jetzt präsentierte Gutachten eine Parlamentskommission ins Leben, an der 30 Experten beteiligt waren, darunter Historiker, Wirtschaftsfachleute und Immobiliengutachter. Zudem gründete Polen ein Forschungsinstitut für Kriegsschäden.

Bund schlägt Zukunftsfonds vor

Im Jahr 2018 erleichterte die PiS-Regierung Klagen gegen die Bundesrepublik. Zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls 2019 legte sie einen ersten Bericht vor, in dem ein Betrag von 850 Milliarden Euro genannt wird, den Deutschland an das Nachbarland wegen der begangenen Gräuel zahlen soll. In einem Deutschlandfunk-Interview bekräftigte die polnische Journalistin Aleksandra Rybinska damals den »moralischen Anspruch« Polens auf Reparationen. Bartosz Wieliński von der »Gazeta Wyborcza« fordert jetzt, man müsse das Thema »irgendwie lösen«, und zwar »bei nächster Gelegenheit«, damit keine polnische Regierung in Zukunft mehr die Reparationskarte ziehen könne.

Das sieht der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Dietmar Nietan, ähnlich. Gegenüber der SPD-Zeitung »Vorwärts« betonte er vergangene Woche, »dass es nicht zu Reparationszahlungen kommen wird, egal wer in Deutschland regiert«. Stattdessen solle man »jetzt den Spieß umdrehen« und proaktiv mit dem Thema umgehen. Konkret schlägt Nietan einen Zukunftsfonds vor, der Menschen aus beiden Ländern über die gemeinsame Geschichte aufklären und zivilgesellschaftliche Projekte zur Stärkung des gegenseitigen besseren Verstehens fördern soll.  Mit Agenturen

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