Werbung

Nicht mein König

In Großbritannien regt sich nach Verhaftungen erster Unmut gegen Charles III.

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Der neue britische König hat dieser Tage keinen leichten Job. Unmittelbar nach dem Tod seiner Mutter muss Charles III. endlose öffentliche Auftritte bestreiten, Zeremonien absolvieren und Ansprachen halten – und alles wird live im Fernsehen übertragen. Da kann man nicht immer Haltung wahren, wenn es nicht nach Plan geht. Etwa wenn der Füllfederhalter mal ausläuft. »Ich kann dieses verdammte Ding nicht ausstehen«, murmelte der frustrierte König, als er sich am Dienstag ins Gästebuch im nordirischen Schloss Hillsborough eintragen wollte und sein Griffel kleckerte. Genervt stand er auf und fluchte: »Jedes verflixte Mal!« Seine Frau Camilla stand daneben und wies auf die Schmiererei: »Oh schau, es läuft überallhin.«

Es war nicht das erste Mal, dass der neue König in den ersten Tagen seiner Regentschaft eine etwas unglückliche Figur machte. Während seiner würdevollen Proklamation am Samstag regte er sich über ein Tintenfass auf, das ihm auf dem Tisch im Weg stand. Unwirsch deutete er einem Diener an, das Objekt gefälligst aus dem Weg zu räumen. In den sozialen Medien wurde die Episode nicht goutiert, dem neuen König wurde Überheblichkeit vorgeworfen.

Abgesehen von diesen doch eher kleinen Zwischenfällen ist bereits handfestere Kritik am neuen König laut geworden. Dass offensichtlich bis zu 100 Angestellte von Clarence House, der bisherigen Residenz von Charles, am Sonntag ihre Kündigung erhielten, hat Kopfschütteln ausgelöst. Viele hatten erwartet, dass sie im neuen Haushalt des Königs automatisch eine neue Anstellung finden würden. Ein betroffener Angestellter sagte gegenüber dem »Guardian«: »Alle sind stinksauer.«

Zudem haben Monarchiegegner in den vergangenen Tagen ihrem Unmut über den undemokratischen Wechsel an der Spitze des Königreichs Luft verschafft. In Oxford beispielsweise rief ein junger Friedensaktivist während der Proklamation: »Wer hat ihn gewählt?« Prompt wurde er in Handschellen abgeführt. Auch in Edinburgh wurde ein Mann verhaftet, nachdem er bei einer Prozession lautstark über Prinz Andrew geschimpft hatte.

Der Anwalt Paul Powlesland geriet ebenfalls in Konflikt mit der Polizei, als er am Parliament Square in London ein leeres Stück Papier in der Hand hielt; die Beamten hätten ihn gewarnt, dass sie ihn verhaften könnten, wenn er darauf schreiben würde: »Nicht mein König.« Im Fernsehen sagte Powlesland später: »Wir müssen eine klare Trennlinie ziehen zwischen Respektlosigkeit gegenüber den Trauerkundgebungen für die Queen und Protesten gegen die Thronbesteigung von Charles.« Er solle zumindest die Möglichkeit haben, seine Meinung über den neuen König zum Ausdruck zu bringen.

Republikanisch gesinnte Briten sind zwar in einer deutlichen Minderheit. Eine neuere Umfrage hat ergeben, dass rund ein Viertel der Bevölkerung lieber eine Republik hätte, unter jungen Leuten ist es etwa ein Drittel. Dass aber jetzt diesem Teil der Öffentlichkeit die Möglichkeit genommen wird, ihre Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, hat Bürgerrechtskampagnen und Politiker alarmiert – sie sehen es als einen groben Verstoß gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.

»Das Recht zu protestieren ist eine Grundlage unserer Demokratie und sollte ermöglicht werden«, twitterte die Abgeordnete Joanna Cherry von der Schottischen Nationalpartei SNP. Graham Smith, der Vorsitzende der Anti-Monarchie-Kampagne Republic, sagte: »Zu einer Zeit, in der die Medien voll sind von Speichelleckerei für einen König, der ohne Diskussion oder Zustimmung ernannt worden ist, ist Redefreiheit noch wichtiger als sonst.«

Das rigorose Vorgehen der Behörden hat sogar dazu geführt, dass manche Anhänger der Monarchie nunmehr zu Königsgegnern geworden sind – zumindest trifft dies auf Paul Powlesland zu: Er habe die Monarchie zuvor für eine »etwas merkwürdige Idee« gehalten, aber er habe das Gefühl gehabt, sie funktioniere. »Aber nach dem, was ich in der letzten Woche gesehen habe, bin ich jetzt ein Republikaner«, sagte er.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!