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Die Billigung eines Angriffskrieges ist eine Straftat
Ein Jahr Zentralstelle gegen Hasskriminalität bei Brandenburgs Generalstaatsanwaltschaft
Die Justiz in Brandenburg verfolgt derzeit unter anderem das Delikt »Billigung eines Angriffskriegs«. Sollten sich dafür Beweise erbringen lassen, werde es Strafverfahren geben, versicherte Generalstaatsanwalt Andreas Behm am Donnerstag im Justizausschuss des Landtags. Dort zog er eine Bilanz seiner Zentralstelle gegen Hasskriminalität, die vor einem Jahr eingerichtet worden war.
Fallzahlen sind gestiegen
Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) sprach von einer »steigenden Zahl der Straftaten« im Bereich der Hasskriminalität. Dies habe die Zentralstelle nötig gemacht. Zwischen 2020 und 2021 sei die Zahl der erfassten Delikte von 359 auf 523 gestiegen. Die Zahl sogenannter Propagandadelikte verfassungswidriger Organisationen sei im selben Zeitraum von 195 auf 315 geklettert, im Internet die Zahl der Fälle von Hasskriminalität binnen eines Jahres von 103 auf 223 gestiegen. Zum Teil lasse sich das mit der Bundestagswahl 2021 erklären. In Wahljahren häuften sich solche Fälle. Um der Bedrohung zu begegnen, sei die Zentralstelle eingerichtet worden, erläuterte Behm. Zwei Staatsanwälte seien dafür abgestellt worden. Mehr Staatsanwälte habe man ihm dafür nicht zugestanden.
In einer monatlichen Videokonferenz würden die aktuellen Erscheinungen besprochen, die einzelnen Staatsanwaltschaften würden unterrichtet, was die Grundlage für ein abgestimmtes Vorgehen gegen Hasskriminalität bilde. In diesem Zusammenhang erwähnte Behm die Straftat »Billigung eines Angriffskriegs«. Daneben widme sich die Zentralstelle der Verbreitung von Hass in sozialen Netzwerken, der geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören. Hier komme es darauf an zu ermitteln, wie viele Menschen durch eine Hassattacke aktiviert worden seien, »um den Punkt Öffentlichkeit bejahen zu können«.
Die Zentralstelle bearbeite selbst keine Hassdelikte, sondern steh dazu mit den zuständigen Staatsanwaltschaften in Verbindung. Drei dieser Fälle habe aber die Generalstaatsanwaltschaft an sich gezogen, weil sie in der Sache »besonders bedeutsam« erschienen, so Behm.
Zur Tätigkeit der Stelle gehöre die Verknüpfung der juristischen Arbeit mit dem Auftreten der Zivilgesellschaft. Der Kampf gegen den Antisemitismus beispielsweise sei als Schwerpunkt gesetzt worden. Man betrachte sich als »Teil eines Netzwerkes« das die gesamte Bundesrepublik überspanne. Ein Leitfaden zur Bekämpfung des Antisemitismus werde erarbeitet, sagte der Generalstaatsanwalt.
Die im Netzwerk mit dem Kampf gegen Hasskriminalität befassten Mitarbeiter hätten auch Straftaten gegen Politiker im Auge, fuhr Behm fort. Es sei nicht auszuschließen, dass mit der Tätigkeit der Zentralstelle mehr Straftaten in die Statistik eingingen. Eine größere Bereitschaft, Fälle anzuzeigen, sei aber durchaus gewollt und werde durch die eingerichtete Internetseite noch erleichtert, auf der Betroffene Anzeige erstatten könnten. Als er in Berlin leitender Oberstaatsanwalt gewesen sei und sich Hassäußerungen gewidmet habe, die mit der sexuellen Orientierung der Opfer zusammenhingen, sei die Bereitschaft der »Community« deutlich gestiegen, solche Straftaten anzuzeigen, erzählte Behm.
Fast alle Verfahren werden eingestellt
Warum aber würden fast alle Verfahren, die wegen Beleidigung eingeleitet werden, wieder eingestellt – »und das, obwohl die Täter ermittelt sind« und die Beleidigung als solche festgestellt worden sei? Das wollte die Abgeordnete Marlen Block (Linke) wissen. »Das ist das falsche Signal.« Die Justiz habe Verantwortung, unterstrich Block. Einen abschreckenden Charakter könnte es haben, wenn die Strafe der Beleidigung auf dem Fuße folgte.
Bei Politikern sei es schwierig zu ermitteln, ob eine noch erlaubte Schmähkritik vorliege oder tatsächlich eine strafbare Beleidigung, erklärte Behm.
Angesichts der Zunahme des Hasses müsse es »ein robustes Stoppschild des Staates geben«, fand auch der SPD-Abgeordnete Erik Stohn. Politiker, auch ehrenamtliche Kommunalpolitiker, hätten ein Anrecht auf Respekt. Stohn stört die Länge der Verfahren, die vielfach zu »Frustration« führe. Ein ihn selbst betreffender Sachverhalt sei nach zwei Jahren eingestellt worden mit dem Bescheid, dass er strafrechtlich nicht relevant sei, sondern nur eine Schmähkritik, die er hinnehmen müsse.
Schmähkritik oder Beleidung?
Justizministerin Hoffmann wies darauf hin, dass die Rechtsprechung »hohe Anforderungen« dafür stelle, eine Äußerung zu einer Straftat zu erklären. Sie wolle dem Eindruck entgegentreten, dass die Justiz leichtfertig oder übereilt handle. Vielmehr verfolge das Land eine Null-Toleranz-Strategie. Die große Zahl an Verfahrenseinstellungen begründete Hoffmann damit, dass es »rechtlich keine andere Möglichkeit« gebe. Mit einer Verurteilung sei nicht zu rechnen gewesen.
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