Überfällig und zu kompliziert

Der Schutz von hinweisgebenden Personen durch ein Gesetz lässt weiter auf sich warten

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.
Edward Snowden wäre durch ein Gesetz, das dem jetzigen Ampel-Entwurf entspricht, nicht geschützt.
Edward Snowden wäre durch ein Gesetz, das dem jetzigen Ampel-Entwurf entspricht, nicht geschützt.

»Die Umsetzungspflicht ist lange abgelaufen«, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann zum Auftakt der Debatte in der Nacht zum vergangenen Freitag im Bundestag. Es geht um den Whistleblower-Schutz – zwanghaft eingedeutscht um »den Schutz von hinweisgebenden Personen«. Zunächst war Austeilen angesagt, denn die Frist der EU, das Gesetz umzusetzen, wurde schon von der vormals regierenden Union aus CDU/CSU gerissen. Kritik in Richtung der SPD äußerte Buschmann nicht, obwohl der Ampelpartner nicht unbeteiligt an den Regierungsgeschäften der vergangenen Wahlperiode war. »Hinweisgeberschutz ist Unternehmensschutz«, warb Buschmann und betonte, dass es ja eigentlich darum gehe, eine positive Fehlerkultur in Unternehmen zu fördern. Effektivität und Effizienz steigern, ganz im Sinne des Profits. Doch der Buschmann’sche Gesetzentwurf hat Mängel.

Die vorgesehenen Meldestellen, die Unternehmen ab einer Größe von 50 Beschäftigten einrichten sollen, sind ausgerechnet in den Unternehmen selbst einzurichten. Das dürfte die Bereitschaft der Mitarbeitenden kaum steigern, sich mit Kritik im eigenen Haus in eine schwierige Position zu bringen oder drohende negative Folgen auf dem angespannten Arbeitsmarkt zu riskieren. Dass bei mangelndem Vertrauen auch externe Meldestellen verfügbar sein sollten, sieht das Gesetz immerhin vor. Dass dies dann praktikabel ausfällt, bezweifelten mehrere Abgeordnete.

Die Pflicht, einen anonymen Meldeweg anzubieten, sieht der Entwurf derzeit nicht vor. Anonyme Meldungen sind noch dazu nachrangig gegenüber namentlich abgegebenen Meldungen zu behandeln, deren Bearbeitung nicht gefährdet werden dürfe. Dass Sachverhalte von dringlichem öffentlichen Interesse, bei denen der Hinweisgeber schwere Repressalien befürchtet, künftig über die Meldestellen zutage gefördert werden, wird mit dieser Ausgestaltung eher unwahrscheinlich.

Der direkte Gang an die Öffentlichkeit soll möglich sein, wenn hinreichend Grund zur Annahme bestehe, dass beispielsweise »der Verstoß wegen eines Notfalls, der Gefahr irreversibler Schäden oder vergleichbarer Umstände eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann« oder »im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind«. Kurz: Es bleibt im Prinzip wie gehabt, aber Hinweisgebenden wird die Beweislast aufgebürdet, dass Dringlichkeit geboten ist.

Als Verbesserung gilt, das künftig betroffene Unternehmen belegen müssen, dass von den Hinweisgebenden als Repressalie empfundene Maßnahmen nicht mit der Offenlegung des Missstandes in Verbindung stehen. Letztlich aber läuft es auf langwierige Verfahren hinaus, die sich nur eine Seite finanziell und nervlich leisten kann: das Unternehmen, das Missstände verursacht.

»Es geht bei dem Gesetz nicht darum, einen Anreiz zum Verpfeifen zu setzen, sondern es geht darum, dass die Dinge intern geklärt werden«, warb Buschmann weiter. Dass mehr Anreize zum frühzeitigen Verpfeifen dazu hätten beitragen können, die unternehmensintern entwickelten Abgaswertmanipulationen und in der Folge auch milliardenschwere Finanz- und Image-Schäden in der Autoindustrie zu verhindern – das passt nicht in Buschmanns »Hinweisgeberschutz ist Unternehmensschutz«-Mantra.

Mangelnde Praxistauglichkeit bescheinigte in der Debatte dann auch die Unionsredner*innen. Martin Plum kritisierte handwerkliche Unfähigkeit; aus einer schlechten Schutz-Richtlinie, die bereits existiert, sei ein noch schlechteres Gesetz gemacht worden. Unionskollegin Susanne Hierl kritisierte den zu komplexen Gültigkeitsbereich. Ohne weiteres sei nicht klar, in welchen Fällen Mitarbeitenden davon ausgehen dürfen, Schutz nach dem Gesetz zu haben.

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Clara Bünger, Abgeordnete der Linken, mahnte, dass das jetzige Gesetz keinen Schutz für Whistleblower biete. Als wohl prominentestes Beispiel für die Zielerreichung gilt weiterhin der NSA-Whistleblower Edward Snowden. »Der vorgelegte Entwurf hätte ihm keine Abhilfe geschafft«, so Bünger. »Hierzulande bestünde für ihn die Gefahr der Auslieferung an die USA, wo ihm für den Rest seines Lebens eine Gefängnisstrafe droht«, hob Bünger hervor und wies auf die seit Jahren vorgebrachten Änderungsvorschläge zivilgesellschaftlicher Initiativen hin. Wann das Gesetz zur Abstimmung vorliegt, entscheiden nun die Fachausschüsse.

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