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So oder so viel zu tun
Trotz Bevölkerungswachstum dürfte die Zielzahl für den Wohnungsbau in Berlin zu hoch angesetzt sein
Berlins Bevölkerung wächst weiter. 2040 sollen laut einer Prognose fast vier Millionen Menschen in der Hauptstadt leben. Das geht aus einem am Dienstag präsentierten Bericht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hervor. »Der Druck auf den Wohnungsmarkt wird nicht nachlassen. Es müssen also weiterhin dringend neue Wohnungen gebaut werden, um den Markt zu entspannen, aber auch Kitas und Schulen«, bekräftigte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD).
Jährlich 20.000 Wohnungen und 200.000 bis zum Jahr 2030 – das waren die Zielzahlen, die Geisel und die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zu Beginn der Legislaturperiode ausgegeben hatten, um auszugleichen, was bereits an Wohnungen fehlt, und bereitzustellen, was künftig gebraucht wird. Nicht zuletzt durch den massiven Preisanstieg bei den Baukosten ist es allerdings mehr als fraglich, ob sich dieses Ziel überhaupt erreichen lässt. Geisel selbst hatte bereits eingeräumt, dass das jährliche Neubauziel wahrscheinlich zunächst nicht erreicht werde.
Doch fraglich ist auch, ob der Bedarf an neuen Wohnungen auf Grundlage der Bevölkerungsprognose wirklich so groß ist. Anders gesagt: Braucht Berlin wirklich 200.000 neue Wohnungen? Die Berechnung des Neubaubedarfs hängt von mehreren Variablen ab. Nicht nur die prognostizierte Bevölkerungsgröße, sondern beispielsweise auch die angestrebte Leerstandsquote oder die durchschnittliche Haushaltsgröße spielen hier eine Rolle.
Die Zielzahl des Senats beruht dabei auf einer Rechnung des SPD-Fachausschusses Soziale Stadt. Wer hingegen den vom rot-rot-grünen Vorgängersenat 2019 beschlossenen »Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030« zu Rate zieht, kommt abzüglich des bereits erfolgten Neubaus für den Zeitraum von 2021 bis 2030 auf einen Bedarf von weniger als 130.000 Wohnungen, wobei besagter Stadtentwicklungsplan aufgrund einer älteren Prognose wiederum noch von einem geringeren Bevölkerungswachstum ausgegangen war.
Doch auch mit dem prognostizierten Anstieg der Zahl der Berlinerinnen und Berliner auf über 3,9 Millionen Einwohner, mit dem der Senat zunächst bis zum Jahr 2030 rechne, sei die ausgegebene Zielzahl im Neubau »nicht haltbar«, sagt Tilmann Heuser, der Geschäftsführer des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) Berlin. »Nicht einmal bis zum Jahr 2040 werden laut der aktuellen Bevölkerungsprognose so viele Wohnungen benötigt«, so Heuser.
Er rechnet damit, dass – ausgehend von einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,75 Personen – bis 2030 insgesamt nur etwas mehr als 140.000 Wohnungen gebaut werden müssten, auch um eine Leerstandsquote von drei Prozent zu erreichen. Diese gilt als einer der Indikatoren für einen funktionierenden Wohnungsmarkt. Zusätzlich zu den bereits genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen müsste demnach Baurecht für weitere 80.000 Wohnungen geschaffen werden, die es bis 2030 zu bauen gelte.
Der tatsächliche Neubaubedarf könnte aus Sicht des BUND perspektivisch auch noch geringer ausfallen, weil die durchschnittliche Haushaltsgröße mittlerweile angestiegen ist. Doch auch ein geringerer Neubaubedarf stellt angesichts der gegenwärtigen Teuerungen immer noch eine Herausforderung für das Land dar.
Bereits während der Koalitionsverhandlungen im vergangenen Jahr hatten die Umwelt- und Naturschützer ein 15-seitiges Papier veröffentlicht, in dem sie den Bedarf an neuen Wohnungen deutlich unter jenen Zielzahlen angesetzt hatten, auf die sich SPD, Grüne und Linke schließlich verständigten. Vor allem die Neuversiegelung von Flächen sieht die Organisation kritisch. Stattdessen sei bei niedrigeren Bedarfszahlen auf Maßnahmen im Bestand oder in bestehenden Siedlungsgebieten zu setzen.
Die Bevölkerungsprognose bildet eine Grundlage für die Planungen der einzelnen Verwaltungen, also auch weit über den Wohnungsneubau hinaus. »Wir müssen in die soziale Infrastruktur investieren und dafür Sorge tragen, dass ÖPNV und Individualverkehr mit der Bevölkerungszunahme Schritt halten«, sagte Stadtentwicklungssenator Geisel.
Vor den größten Herausforderungen durch das Bevölkerungswachstum dürfte Berlin aber schon jetzt stehen. Etwa die Hälfte des bis 2040 prognostizierten Wachstums um 187.000 Einwohner soll laut der Prognose bis 2025 zu verzeichnen sein. Schon für 2022 erwartet der Senat mit Blick auf die Flucht von Schutzsuchenden aus der Ukraine, dass 65.000 Menschen mehr als ein Jahr zuvor in der Hauptstadt leben werden.
Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung gelten generell als unsicher. Während der Corona-Pandemie etwa stagnierte die Einwohnerzahl. Nicht zuletzt wegen solcher Unwägbarkeiten wird die Prognose etwa alle drei Jahre neu erstellt.
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