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Violetter Himmel über Albanien
In der sommerlichen Hitze Albaniens lohnt sich ein Bad im glasklaren Meer – bloß Wasserlebewesen sieht man dort keine
Es war Ende des Sommers, als mein Lebenskomplize und ich einen unserer ersten Urlaube ohne Kind und Planung in Albanien verbrachten. Hinflug nach Korfu gebucht, vom Flughafen aus durch die kleine griechische Stadt an Tavernen und Hafenlagern vorbei zum Fährableger gelaufen. Dort Grenzkontrolle: Drei uniformierte Frauen hielten ein Fließband am Laufen, der elektronische Durchgang piepste synchron zum Sound eines Radios, und das Gepäck der zwei Handvoll Reisewilligen ruckelte durch den Gepäckscanner, ohne dass jemand einen Blick auf den Monitor verschwendete. Bei der lustigsten Grenzpassage meines Lebens wurde mit Waffen gefuchtelt und dirigiert, dazu gelacht.
Ein kleines Schiff schaukelte über das Ionische Meer nach Saranda in Albanien, die Hochhäuser wurden beim Näherkommen schöner. Am Strand Trubel bis in die Nacht. Sehr früh morgens fuhr ein voller Bus in die Berge, wir hinter blinden Scheiben dabei. Es roch, es war heiß, ich hielt es nicht aus. Nächster Halt ein Café in einer Kurve. Wir blieben sitzen, als die Toilettengänger wieder eingestiegen waren.
Ein Gast des Cafés präsentierte sein halb kaputtes Auto als Taxi und wollte uns zu seinem Cousin fahren, ans Meer. Ich wurde munter, wir willigten ein und schaukelten in eine Bucht hinunter. Ein Fluss hatte das breite Delta gut hundert Kilometer gegenüber von Apulien geschaffen. Grün drängte sich bis an den Meeressaum, der plötzlich auftauchte, unbebaut und unbegrenzt. Eine staubige Piste oben am Hang, danach Sand, hell und fein, fast weiß.
Das Hotel des Cousins bestand aus dem ersten Stockwerk, es gab drei fertige Zimmer, eins war noch frei. Rucksäcke abwerfen, ab zum Meer. Ich lief hinein und war baff – an den Märchenstrand schwappte warm und ruhig ein steriles Wasser, wie ich es noch nie erlebt hatte. Kein Fisch, keine Alge, keine Muschel, ja nicht einmal eine Seegurke ließ sich durch die Schwimmbrille erkennen. Schwimmen ging super, ich kreuzte längs des Ufers hin und her und hielt vergeblich Ausschau nach Lebewesen.
Am Strand fanden sich Badegäste ein, und erst jetzt sah ich die vielen Palmwedel-Schirmchen, die Liegestühle und Treppen, die von unserem Hotelbau ausgehend den weiteren Strand bedeckten und parzellierten. Ein großes Hotel stand in unmittelbarer Nähe, sonst nur Buden, temporäre Bars, Lokale und Restaurants. Auf dem einzigen Strandweg teilten teure Limousinen die Fahrbahn mit Kühen und Eseln, die an den Mülltüten und -containern der Bucht Essen suchten. Manchmal kamen auch ältere, ganz in Weiß gekleidete Männer vorbei, die einen mit Transportkisten beladenen Esel antrieben und zum Schwatz mit den Cafébesitzern hier und da stehen blieben.
Zum Wandern war es zu heiß, ich schwamm zehnmal am Tag hin und her und suchte verzweifelt den Meeresboden ab. Vergeblich. Türkisgrün bis hellblau schrammte das Meer sachte über den Grund. Gegen Abend zogen Wolkenschleier auf, und als die Sonne sich gen Italien neigte, hörte ich die Familie aus dem anderen Zimmer neben uns plötzlich Italienisch reden. Dank meines Erasmusstudiums in Florenz in den Neunzigern konnte ich mitreden, sie dank des italienischen Fernsehens, welches sie heimlich konsumiert hatten unter der Diktatur.
Wir wurden aufgenommen in die Familie des Lampenverkäufers aus Tirana und saßen beim Abschaben eines gekochten Schafskopfes unter dem Feigenbaum im Hof unseres Hotels zusammen. Sahen stumm auf einen orangeroten Himmel, der sich langsam violett färbte, über dem ganzen leeren Meer.
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