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Frieden und Frieren, freie Geschlechterwahl
Jeja nervt: Wie die AfD mit Russland gegen das »Regenbogen-Imperium« kämpfen will
Immer mehr verschwimmen AfD und Querdenken-Bewegungen allmontaglich zu einem unausstehlichen Aufstandsbrei. Anlass für das Anschwellen der Protestzüge bieten die Energie- und Inflationskrise und die Rückkehr eines handzahmen Infektionsschutzgesetzes. Thematisiert wurden aber zuletzt vorwiegend außenpolitische Themen. In Gefahr sind hier nicht etwa verarmte Rentner*innen, für die die kommenden Monate ohne Heizung lebensgefährlich sein werden, aufgrund zunehmender Infarkte und Schlaganfälle etwa, wegen steigenden Blutdrucks und Thrombosen in der Kälte. Bedroht sehen die Protestierenden auch nicht Eltern auf dem Land, die ihre Kinder nicht mehr in die Kita fahren können, oder Hungrige, die nicht mehr bei den Tafeln aufgenommen werden. Bedroht ist vor allem, mal wieder, »Deutschland«.
Das wurde auch bei der Rede von Björn Höcke am Montag, dem Nationalfeiertag, in Gera deutlich. Der Chef der AfD in Thüringen, laut Umfragen dort gegenwärtig die stärkste Partei, sprach über den Krieg in der Ukraine und darüber, dass Deutschland eigentlich an der Seite Russlands stehen müsste. Getragen war die Rede insbesondere von antigenderistischen Motiven, die auch schon Putin zur Kriegsbegründung bemüht hatte. Laut Höcke fechte Russland, das eigentlich der »natürliche Partner unserer Arbeits- und Lebensweise« sein sollte, in dem »eine ähnliche seelische Stimmung« herrsche wie hierzulande, einen Krieg gegen das »Regenbogen-Imperium« aus, das von den USA geführt werde. In Europa sei Deutschland der wichtigste »Brückenkopf« dieses Imperiums, das »Mann und Frau den Kampf angesagt« habe und darauf dränge, »dass eine Abtreibung bis zum 9. Monat möglich sein muss«, »dass schon ein siebenjähriges Kind – auch gegen den Elternwillen – sein Geschlecht frei wählen kann« und dass »Pornofilme im öffentlich-rechtlichen TV und in Schulen« gezeigt werden sollen.
Deshalb habe der Krieg in der Ukraine, der in Wahrheit zwischen den USA und Russland geführt werde und in den Deutschland gegen den Willen der Volksseele hineingetrieben werde, nicht nur »materielle«, sondern »weltanschauliche« Gründe. Es gehe um ein anderes Menschenbild. Und Deutschland stecke eigentlich schon mitten in diesem Krieg, denn der Nord-Stream-Anschlag sei »der erste kriegerische Akt gegen die Bundesrepublik« seit 1949 gewesen, der »für uns tatsächlich tödlich« enden könnte. Dahinter stünden natürlich die USA, sodass sich das verbündete Deutschland nun schon zum dritten Mal seit Beginn des 20. Jahrhunderts »gegen Russland aufgestellt« habe.
Nun ist es der AfD einigermaßen egal, wenn in den USA gerade bundesgesetzliche Rechte zu Schwangerschaftsabbrüchen gekippt werden und einzelne US-Bundesstaaten die Hatz auf transgeschlechtliche Teenager zum Gesetz erheben. Höcke und sein Publikum stört es auch wenig, dass das Argument, wonach ein Nato-Beitritt der Ukraine erstmals Nuklearraketen in unmittelbarer Nähe zu Moskau bedeutet hätte, eine Art umgekehrte Kuba-Krise also, die nur durch den russischen Einmarsch in die Ukraine verhindert worden sei, mit einem simplen Blick auf die Karte entkräftet werden kann: Immerhin ist Lettland seit 2004 Mitglied der Nato. Von der deutsch-russischen Seelenverwandtschaft, die nur von den USA gestört werde, wollen wir angesichts der millionenfachen Ermordung von Sowjetbürger*innen im Zweiten Weltkrieg durch Wehrmacht und SS gar nicht erst anfangen.
Und auch nicht von der angeblich freien Geschlechterwahl. Antigenderismus ist ein unterschätztes, aber zentrales Ideologieelement des neuen wie alten Faschismus und eng verzahnt mit antisemitischer Verschwörungsideologie. Denn die Programmatik eines solchen Pazifismus samt Völkerzärtlichkeit ist die der Bullshit-Friedensreden Hitlers – ob er nun 1933 von den Gefühlen und Lebensansprüchen der anderen europäischen Völker sprach, von deren Verständnis die Deutschen zutiefst »beseelt« seien, oder als er 1939 »das internationale Finanzjudentum« davor warnte, »die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen«.
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