Sicherheitsrisiko Hochhausbau

Bauarbeiten am Alexanderplatz könnten zu Rissen im U-Bahnhof geführt haben

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.

Montagmorgen gegen acht Uhr spürt man am U-Bahnhof Senefelderplatz reichlich Frust. Noch hat die Empfehlung der BVG, auf Alternativen zur U2 auszuweichen, nicht alle Fahrgäste erreicht. Seit am Freitagabend gegen 23 Uhr der Fahrbetrieb auf der Linie eingeschränkt wurde, verkehrt die U-Bahn zwischen Senefelderplatz und Klosterstraße auf unbestimmte Zeit im Pendelverkehr mit 15-Minuten-Takt. Entsprechend voll ist der Zug am Montagmorgen. 

Nötig geworden war das, weil ein Überwachungssystem der BVG am Alexanderplatz angeschlagen hatte. Risse waren demnach am Freitag an der Decke des Bahnhofs der U2 zu sehen. Im Bereich Alexanderplatz ist die U2 deshalb seitdem sicherheitshalber nur noch auf einem Gleis unterwegs. Mit gedrosselter Geschwindigkeit wird der Alex am Montag angefahren. 

»Am Alexanderplatz finden aktuell verschiedene, umfangreiche Baumaßnahmen statt, zum Teil in unmittelbarer Nähe zu den U-Bahnanlagen der BVG. Unter anderem entsteht direkt neben dem U-Bahnhof der U2 ein Hochhaus«, hieß es am Freitagabend von den Verkehrsbetrieben. Gemeint ist die Baustelle des Immobilienunternehmens Covivio, das derzeit neben dem Hotel Park Inn 130 Meter hohe Zwillingstürme baut. Seit 2021 laufen die Tiefbauarbeiten, für den Bau des Hochhauses muss eine fast 20 Meter tiefe Baugrube ausgehoben werden. Noch weiter in das Erdreich werden Betonpfähle eingeschlagen.

»Vorsorglich haben wir die Bauarbeiten auf unserer Baustelle am Alexanderplatz bereits vor einigen Tagen eingestellt«, bestätigt die Sprecherin von Covivio gegenüber »nd«. Noch ist nicht klar, ob die Bauarbeiten das Tunnelsystem der U-Bahn in Mitleidenschaft gezogen haben. »Gemeinsam arbeiten die BVG, Bauunternehmen, Ingenieurbüros und Covivio intensiv an der Ursachenforschung und Lösung«, heißt es von dem Immobilienunternehmen. Die BVG kündigte erste Ergebnisse für in rund zwei Wochen an. 

»Haben Investoreninteressen in dieser Stadt einen höheren Stellenwert als die Interessen der Fahrgäste? Diese Frage muss man sich mittlerweile stellen«, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB zu »nd«. Die sichtbaren Risse an der Decke des U-Bahnhofs zu verfüllen, sei schnell gemacht. Es sei aber noch nicht klar, ob nicht weitere Maßnahmen notwendig würden, durch die es dann zu längeren Einschränkungen für die Fahrgäste komme. 

Das war in der Vergangenheit schon der Fall. Denn es ist nicht die erste Unterbrechung der U2 wegen einer Großbaustelle. 2012 musste die U2 zwischen Potsdamer Platz und Mohrenstraße für mehrere Wochen unterbrochen werden, weil es zu einem Wassereinbruch in der Baugrube der Mall of Berlin gekommen war. Drei Jahre später schränkte die BVG den Fahrbetrieb auf der U2 erneut ein, weil der Tunnel wegen eines Hotelbaus am Alexanderplatz absackte. 

Bedenken hatte die BVG in den vergangenen Jahren hinsichtlich der Auswirkungen eines anderen Hochhausprojekts am Alexanderplatz. Über mehrere Jahre verhandelte sie mit dem Investor Hines, der neben einem Elektronikmarkt 150 Meter in die Höhe bauen will. Die Verkehrsbetriebe befürchteten, dass das Tunnelsystem durch die Gebäudelast Schaden nehmen könnte. 2019 einigte man sich darauf, dass der U-Bahn-Tunnel eine neue Betondecke erhält, für die der Investor aufkommt. 

Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Katalin Gennburg, hält das Hines-Projekt trotz der Einigung mit der BVG wegen des Risikos für die U-Bahn für unverantwortlich. Auch wenn noch nicht klar sei, ob die Bauarbeiten von Covivio Auswirkungen auf den U-Bahn-Tunnel gehabt hätten, sei das nun das »letzte Alarmsignal« für das Vorhaben von Hines. Für die Planungen des Hines-Hochhauses brauche es einen sofortigen Stopp. »Es ist Wahnsinn, dass für den Immobilienirrsinn die Hauptadern der Stadt riskiert werden«, sagt Gennburg zu »nd«.

Dass am Alexanderplatz überhaupt in die Höhe gebaut wird, geht zurück auf Pläne aus den 1990er Jahren, als noch rund ein Dutzend Hochhäuser als Stadtkrone für den Alex angedacht waren und der DDR-Bestand großflächig abgeräumt werden sollte. Lange ruhten die Pläne in der Schublade, weil Investoren keine Erträge für den Standort zu erwarten hatten. 2013 gewann das Büro des Stararchitekten Frank Gehry einen Wettbewerb für das Hines-Hochhaus. Der Höhenrausch nahm wieder Fahrt auf.

Unweit der Bauarbeiten für das Covivio-Hochhaus haben auch jene für ein 150 Meter hohes Hochhaus des russischen Immobilieninvestors Monarch begonnen. Schon 2019 erfolgte der Spatenstich für die Baugrube neben dem Einkaufscenter Alexa. Ursprünglich war vereinbart, dass dieser Turm schon nächstes Jahr fertiggestellt wird. Aufgrund der Bauverzögerung hatte Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) mit dem Rückkauf des Grundstücks gedroht. 

Als Erste am Platz könnte die österreichische Signa-Gruppe fertig werden. Diese reißt einen Teil des Galeria-Kaufhof-Gebäudes ab, um an dieser Stelle ein Hochhaus zu errichten. Während Signa am Alexanderplatz bereits baut, soll es künftig auch am Standort von Karstadt am Kurfürstendamm in die Höhe gehen. 2018 noch lehnte das Baukollegium die Hochhauspläne des österreichischen Investors ab. Das hat sich unter anderem mit der neuen Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (parteilos, für SPD) geändert, die am Montag im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses bestätigte, dass ein Werkstattverfahren für die Bebauung mit zwei Hochpunkten beginne. Diese sollen sich an den zwei bestehenden rund 120 Meter hohen Türmen am Breitscheidplatz orientieren. »Während in der vergangenen Legislaturperiode noch die Pläne von Investoren eingehegt wurden, passiert jetzt das absolute Gegenteil«, sagt Gennburg. 

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