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Konzerne auf Anklagebank

Prozess zu Absturz von AF 447 gegen Airbus und Air France

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor dem Pariser Gerichtshof findet seit Montag ein Prozess gegen den Flugzeugbaukonzern Airbus und die Fluggesellschaft Air France statt. Die Unternehmen müssen sich für den Absturz eines Flugzeugs auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris in der Nacht vom 31. Mai zum 1. Juni 2009 verantworten. Bei dem schwersten Unfall einer Air-France-Maschine waren alle 216 Passagiere und die zwölf Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen.

Die Anklage lautet auf »fahrlässige Tötung«. Anfangs war die Staatsanwaltschaft von einem Pilotenfehler ausgegangen, revidierte das aber später aufgrund weitergehender Ermittlungen. Das Wrack der Maschine und die beiden Flugschreiber wurden erst zwei Jahre nach dem Absturz gefunden. Dass überhaupt solche aufwendigen und teuren Sucharbeiten angestellt wurden, musste auf juristischem Wege durch die Angehörigen der Todesopfer erzwungen werden.

Aus der Analyse der Flugschreiberaufzeichnungen ging hervor, dass sich seinerzeit in 10 000 Metern Höhe über dem Atlantik in weniger als fünf Minuten ein Drama abgespielt hatte. Die per Funk über eine Gewitterfront auf ihrem Kurs informierten Piloten hatten sich entschieden, ihr nicht auszuweichen – was viel Zeit gekostet hätte –, sondern durch sie hindurch zu fliegen. Dabei waren so tiefe Temperaturen aufgetreten, dass die Pitot-Rohre genannten Sensoren am Rumpf des Flugzeugs, mit deren Hilfe der Luftstrom und dadurch die Geschwindigkeit ermittelt wird, durch Eiskristalle verstopft worden waren und falsche Werte gemessen hatten.

Diese Fehlfunktion hatte im Cockpit einen automatischen Alarm ausgelöst, dessen Ursachen sich die Piloten nicht erklären konnten. In ihrem Bestreben, das Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bekommen, war durch falsche Messergebnisse und eine dadurch ausgelöste Kettenreaktion falscher Manöver das Gegenteil eingetreten. Die Piloten hatten die tatsächliche Neigung und Geschwindigkeit der Maschine nicht erkannt. Sie hatten diese zu steil hochgerissen, was einen Strömungsabriss zur Folge gehabt hatte, der für das Flugzeug fatal gewesen war. Es war schließlich auf der Meeresoberfläche zerschellt. Um 4.14 Uhr Pariser Zeit war die Maschine von den Bildschirmen der Fluglotsen verschwunden.

Durch die dem Prozess vorangehenden Ermittlungen wurde nachgewiesen, dass Airbus die konstruktionsbedingten Probleme mit den Pitots unterschätzt und zunächst für »nicht dringlich« angesehen hatte – obwohl im Zeitraum von 2003 bis 2009 mehr als 30 Zwischenfälle mit diesem Bauteil gemeldet worden waren. Airbus hatte bereits vor 2009 die Mängel analysiert und daraufhin ein sicheres Modell des Geschwindigkeitsmessers entwickelt, mit dem seitdem alle neuen Flugzeuge ausgestattet werden. Für die früher gelieferten Maschinen sei den Fluggesellschaften eine Nachrüstung vorgeschlagen, aber nicht zur Pflicht gemacht worden, wirft jetzt die Staatsanwaltschaft dem Konzern vor.

Der Fluggesellschaft Air France, der die Unglücksmaschine gehörte, wird zur Last gelegt, die durch defekte Pitots ausgelösten extremen Krisensituationen nicht bei der Ausbildung der Piloten und bei deren späterer regelmäßiger Fortbildung am Autopiloten trainiert zu haben. Dabei waren auch hier das technische Problem und die dadurch möglicherweise entstehende Gefahrensituation bekannt.

Jetzt drohen den beiden angeklagten Unternehmen Geldstrafen in Höhe von je 225 000 Euro, vor allem jedoch ein empfindlicher Prestigeverlust. Vor Jahren wollte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Airbus und Air France schon einstellen. Nach starken Protesten der Angehörigen der Todesopfer dachte man um. Nur so kam es zur Anklage und zu dem jetzt begonnenen Prozess, dessen Dauer auf neun Wochen veranschlagt wird.

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