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Zersägt die Gitterstäbe

Auch in der Justizpolitik hat Berlin nur begrenzten Spielraum

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf dem Gelände der JVA Tegel würde die Justizsenatorin am liebsten eine moderne Anstalt bauen.
Auf dem Gelände der JVA Tegel würde die Justizsenatorin am liebsten eine moderne Anstalt bauen.

Das Thema Knast hat in den vergangenen Monaten ungewohnt viel Aufmerksamkeit in Berlin bekommen. Grünen-Politiker forderten, dass auch bei kleineren Mengen sogenannter »harter Drogen« Strafverfahren eingestellt werden, wodurch einige Gefängnisstrafen obsolet würden. Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) erklärte wiederum kürzlich, sie wolle sich für die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe stark machen.

Die Erwartungen an die erste linke Justizsenatorin sind hoch. »Ich kann aber nicht mit dem Finger schnippen und alles auf links drehen«, sagte Kreck am Mittwochabend bei einer Diskussionsrunde, zu der Niklas Schrader, Innenpolitiker der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, eingeladen hatte.

Das gelte auch für die sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen. Diese werden fällig, wenn jemand beispielsweise aufgrund des wiederholten Fahrens ohne Fahrschein zu einer Geldstrafe verurteilt wird, diese aber nicht zahlt – beziehungsweise in den meisten Fällen nicht zahlen kann.

Die bundesweite Initiative Freiheitsfonds hatte Ende des vergangenen Jahres angefangen, Personen, die eine solche Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, aus den Knästen zu holen, indem sie deren Geldstrafen mithilfe einer Spendenkampagne bezahlt – laut ihrer Website bis heute über 500. Doch um den Paragrafen im Ganzen zu ändern, braucht es den Bund.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte bereits angekündigt, das Fahren ohne Fahrschein zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen und generell bei der Ersatzfreiheitsstrafe die Tage in Haft zu verkürzen. Die Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit reiche aber nicht, sagt dazu Lena Kreck. Ersatzfreiheitsstrafen seien ein generelles Problem, weil sie vor allem Arme und Menschen mit Suchterkrankung träfen. Während der Hochphase der Pandemie wurde der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafen in Berlin ausgesetzt, um die Fluktuation zu verringern und dadurch Gefängnisinsassen vor Infektionen zu schützen.

»Man muss aber auch über die leichten und mittelschweren Delikte reden«, macht Anja Seick deutlich. Sie ist bei dem Verein Freie Hilfe in der Gefangenensozialarbeit tätig. »Gefängnisse sind kein Ort, an dem man sich in irgendeiner Weise resozialisieren kann«, sagt sie. Das fange schon damit an, dass Inhaftierten jegliche Verantwortung für das eigene Leben abgenommen würde. Seick ist überzeugt, dass mehr ambulante Maßnahmen nötig wären, durch die Straffällige nicht aus der Gesellschaft herausgerissen würden.

»Das langfristige Ziel muss es sein, Gefängnisse ganz abzuschaffen«, sagt Manuel Matzke von der Gefangenengewerkschaft GG/BO. Bekannt geworden ist die Gefangenengewerkschaft mit der Forderung, dass auch hinter Gittern, wo arbeitende Inhaftierte einen Lohn von einem bis drei Euro erhalten, der gesetzliche Mindestlohn Einzug hält. Im Alltag kämpft die 2014 in der JVA Tegel gegründete Gewerkschaft beispielsweise für eine bessere medizinische Versorgung und gegen die horrenden Telefonkosten, die Inhaftierte oftmals zahlen müssen.

Matzke, der selbst mehrere Jahre in Haft saß, sagt, dass mehr gesellschaftliches Leben in den Anstalten stattfinden müsse. »Es braucht Ehrenamt im Knast, Skat-, Schach- oder Fußballvereine, die in den Knast gehen.« Dadurch wären einerseits die Inhaftierten nicht vollständig abgeschnitten vom gesellschaftlichen Leben. Andererseits würden diejenigen auf der anderen Seite der Gefängnismauern auch ein realistischeres Bild vom Alltag hinter Gittern bekommen.

»Moderner Strafvollzug ist der beste Beitrag, um die Gesellschaft sicherer zu machen«, sagt Justizsenatorin Kreck. Für sie sei das auch eine architektonische Frage. So würde man in den Justizvollzugsanstalten Moabit und Tegel in eine andere Zeit »zurückgebeamt« werden, »in der man noch der Ansicht war: wegsperren und das Problem ist gelöst«, sagt Kreck. Kleine Zellen, das Klo neben dem Bett und kein Platz dafür, dass Inhaftierte auch in Gruppen miteinander reden können – unter den Voraussetzungen sei es schwierig, modernere Konzepte umzusetzen. »Die Architektur zwingt zu einem restriktiveren Strafvollzug.«

Beispiel Tegel: Hier gab es drei Teilanstalten, von denen lediglich die zweite genutzt wird. Die erste wurde 2018 abgerissen, weil der Verfassungsgerichtshof Berlin feststellte, dass die Unterbringung in 5,3 Quadratmeter großen Hafträumen ohne abgetrennte Toilette gegen die Menschenwürde verstößt. Die Teilanstalt drei ist wiederum nicht belegt, weil man befürchtet, dass ein Gericht für sie zum gleichen Urteil käme.

Kreck bedauert, dass ihr Vorgänger Dirk Behrendt (Grüne) versäumt habe, einen Neubau für die Fläche der ehemaligen Teilanstalt eins auf den Weg zu bringen. »Ich habe ein Interesse daran, dass dort gebaut wird«, sagte sie. »Es wäre aber unredlich, für die Teilanstalt eins etwas in die Spur zu schicken vor einer möglichen Wiederholungswahl.« Zunächst geht es ihr deshalb darum, die Teilanstalt drei zu sanieren. Die Hafträume sollen größer werden, aus drei sollen zwei Hafträume mit eigener Nasszelle werden. »Wir sind noch nicht da, wo wir wären, wenn ein neues Gebäude gebaut werden würde, aber wir kommen dem näher«, sagt Kreck.

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