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- Pilotenstreik bei Eurowings
Gewerkschaften sind zum Kämpfen da
Elmar Wigand hält den Eurowingsstreik der Pilotengewerkschaft für richtig
Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit bestreikt derzeit die Lufthansa-Tochter Eurowings. Dabei erleben wir ein Novum: Das Eurowings-Management stellte den Streikenden ein Ultimatum. Zwar werden sie nicht in Handschellen abgeführt und allesamt gefeuert, wie streikende US-Fluglotsen der Gewerkschaft Patco im Jahr 1981 unter Ronald Reagan. Doch stellt dieser ultimative Stil eine deutliche Verschärfung zumindest im Ton dar. Möglicherweise will die Lufthansa bei Eurowings ein Exempel statuieren.
Die Piloten sind neben den Bahnarbeiter*innen der GDL Vorreiter der Gewerkschaftsbewegung und Seismografen der Streikbereitschaft. Sie scheinen vorbildlich organisiert – besonders im Vergleich zu konkurrierenden Riesengewerkschaften. Ihre Apparate wirken schlank, basisnah und effizient. Sie wissen noch, wo der Hammer hängt und trainieren ihre Konfliktfähigkeit regelmäßig durch Ausübung eines im Grundgesetz verankerten Rechts: Sie machen, wofür Gewerkschaften da sind. Streiken.
Dass die Piloten wieder streiken, zeigt auch, dass die Coronakrise vorbei ist. Stichtag war der 1. September dieses Jahres. Damals war die Lufthansa der Gegner. Der Zeitpunkt war gut gewählt, da der Bund seine verbleibenden Luftanhansa-Aktien restlos und mit üppigem Gewinn abstoßen wollte. Ein längerer Konflikt hätte den Kurs nach unten befördert.
Auch im folgenden Streik bei der Lufthansa-Tochter Eurowings ist der Zeitpunkt strategisch gewählt: die Herbstferien in verschiedenen Bundesländern. Ein Statement des GDL-Chefs Claus Weselsky aus vergangenen Streiks dürfte von den meisten Piloten geteilt werden: »Sollen wir etwa streiken, wenn es keiner merkt? Das macht keinen Sinn!«
Die Kommentare und Reaktionen auf den Eurowings-Streik lassen dennoch aufhorchen. Die übliche Union-Busting-PR der Alpha-Journalisten in überregionalen Tageszeitungen und öffentlich-rechtlichen Redaktionen unterbleibt bislang weitgehend. Ein Grund könnte sein, dass Billigtouristen, also die »Opfer« gewerkschaftlicher »Geiselnahme« durch »Besitzstandswahrer und Egoisten«, so das übliche Gezeter zu anderen Zeiten, angesichts von Klimawandel und kollektivem Engergiesparen für den bevorstehenden Kriegswinter keine besondere Lobby mehr haben.
Mit ihrer Streikforderung haben die Eurowings-Piloten außerdem einiges richtig gemacht: Es geht bei Eurowings nicht um mehr Geld, sondern um Entlastung. Ein Ziel, dem sich sehr viele Lohnabhängige anschließen können, denken wir nur an Kranken- und Altenpfleger*innen. Insgesamt ist in der deutschen Arbeitswelt ein Trend zur systematischen Überlastung der Lohnabhängigen unter anderem durch personelle Unterbesetzung zu beobachten.
Was die gesetzlich erlaubten Höchstarbeitszeiten angeht, so war der Flugverkehr ursprünglich sogar das Maß der Dinge. Ein Transatlantikflug von Irland nach New York dauerte früher zehn Stunden. Und so setze der Gesetzgeber genau an dieser Marke die gesetzlich vorgeschriebene maximale Arbeitszeit fest. In Notfällen kann sie auf maximal 14 Stunden erhöht werden. Schon seit Jahren wird dieser angebliche Notfall besonders von Billiglinien gezielt und flächendeckend herbeigeführt, ja fest eingeplant. Genau darum dreht sich der aktuelle Streik.
Wenn sich einfache Lohnabhängige – in ihrer Aggregatform als Mallorca-Touristen – gegen streikende Piloten aufhetzen lassen, wäre das ein negatives Zeugnis für die allgemeine Moral der arbeitenden Bevölkerung. Davon kann derzeit zum Glück keine Rede sein. Solidaritätsstreiks wie in Frankreich, wo derzeit streikende Raffineriearbeiter von Gewerkschaften anderer Branchen unterstützt werden, sind in Deutschland aber nicht in Sicht. Allein der Gedanke an sie bereitet dem Unternehmerlager bereits schlaflose Nächte. Deshalb sollten wir ihn ruhig öfter formulieren.
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