Cannabis könnte ein bisschen legal werden

Erwerb und Konsum sollen laut Eckpunktepapier aus dem Gesundheitsministerium erlaubt werden

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 5 Min.

Glücklich kann die Ampel-Koalition nicht darüber sein, was die Hauptstadtpresse am Mittwoch öffentlich machte: Zwar hatte die Bundesregierung vor wenigen Wochen bekräftigt, noch diesen Herbst ein Eckpunktepapier vorzulegen, wie sie das Thema Cannabis-Legalisierung angehen wolle. Doch das sollte erst passieren, nachdem eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe sich auf eine gemeinsame Position verständigt hat – so zumindest der Plan. Wie so oft blieb nicht intern, was noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Seit Mittwoch kursiert ein Eckpunktepapier aus dem Bundesgesundheitsministerium, wie sich das Haus unter Leitung von Karl Lauterbach (SPD) die Legalisierung von Cannabis vorstellt. Wie die ebenfalls beteiligten Justiz-, Innen- und Finanzministerien dazu stehen, ist unklar. Erste Äußerungen lassen aber darauf schließen, dass es reichlich Gesprächsbedarf gibt und das geleakte Papier von SPD, Grünen und FDP nun dazu genutzt wird, sich in der oft emotional geführten Drogendebatte zu profilieren. Die Eckpunkte seien „unnötig restriktiv» und „eine Katastrophe für Jugend-, Gesundheits- & Verbraucherschutz», erklärte Kristine Lütke, drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, via Twitter.

Immerhin ist nun klar, dass die Bundesregierung die versprochene Cannabis-Legalisierung nicht nur wiederholt ankündigt, sondern aktiv vorantreibt. Im Koalitionsvertrag hatte man sich auf „die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften» verständigt. Gleichzeitig soll der Jugendschutz eine zentrale Rolle spielen. Zumindest diese Versprechen wären durch das Lauterbach-Papier tendenziell erfüllt. Laut diesem soll der Kauf und Besitz von 20 Gramm Cannabis ab 18 Jahren straffrei sein, wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland am Mittwoch zuerst berichtete. Für Minderjährige soll die Straffreiheit ebenfalls gelten, allerdings mit Einschränkungen. Werden Jugendliche von der Polizei erwischt, sollen die Drogen beschlagnahmt werden. Zudem sollen Jugendämter die Möglichkeit erhalten, Jugendliche zur Teilnahme an Präventionskursen zu verpflichten.

Der Gedanke, den Erwerb von Cannabis zu legalisieren, ihn aber aktiv nicht zu befördern, findet sich auch an weiteren Stellen des Eckpunktepapiers wieder. Staatlich lizenzierte Geschäfte dürfen nur in einem Mindestabstand zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen eröffnen. Auch Werbung für Cannabisprodukte soll untersagt bleiben, einschließlich Reklame auf den Verpackungen und im Internet. Neben lizenzierten Geschäften sollen auch Apotheken Cannabis verkaufen können. Diese Regelung zielt vor allem auf ländliche Regionen, wo andere Anbieter sich möglicherweise seltener niederlassen würden. Auch ein kontrollierter Verkauf über das Interview wird in dem Eckpunktepapier erwogen, weil somit „die Verdrängung des Schwarzmarktes voraussichtlich stärker ausfallen» könnte.

Allerdings will der Staat an der Cannabis-Legalisierung kräftig mitverdienen, was insbesondere immer ein Argument der FDP gewesen war, da es schließlich um einen Milliardenmarkt geht. Im Lauterbach-Papier ist dann auch nicht nur von der obligatorischen Umsatzsteuer die Rede, sondern auch von der Einführung einer Cannabissteuer. Deren Höhe könnte sich am THC-Gehalt orientieren, also jener Substanz, die beim Konsum für den Rauschzustand verantwortlich ist. Hier will der Gesundheitsminister allerdings Grenzen ziehen: Maximal 15 Prozent soll der THC-Gehalt im Cannabis betragen, für 18- bis 21-Jährige sollen zehn Prozent gelten. Solche Grenzwerte hatte Lauterbach bereits in der Vergangenheit damit begründet, um »cannabisbedingte Gehirnschädigungen« vorzubeugen, da sich das Gehirn junger Erwachsener teils noch in der Entwicklung befindet. Die Besitzgrenze von 20 Gramm soll unabhängig vom THC-Gehalt und der Cannabis-Herkunft gelten.

Geht es nach dem Gesundheitsministerium, dann wäre künftig auch der private Anbau in engen Grenzen legalisiert. Bis zu zwei Cannabispflanzen sollen erlaubt sein, wobei das Eckpunktepapier auch hier die konkrete Ausgestaltung offen lässt, etwa was den Kauf von Saatgut oder Jungpflanzen betrifft.

Genau darauf zielt auch eine erste Einschätzung der SPD-Bundestagsabgeordneten und Juristin Carmen Wegge ab. „Das ist erst mal ein Entwurf, der noch durch alle Ministerien gehen muss. Und erst dann kommt der Gesetzentwurf. Auf diesem Weg kann sich noch viel inhaltlich ändern», erinnert die Innenexpertin, die schon lange für eine Cannabis-Legalisierung kämpft. Wegge übt dann auch Kritik, auch wenn sie den Wortlaut der Eckpunkte noch nicht kennt, sondern lediglich bisher aus den Medien davon weiß: „Eins kann ich jetzt schon sagen: eine THC-Obergrenze, wie sie anscheinend im Papier steht, die kann ich nicht unterstützen.»

Damit wäre sie auf einer Linie mit dem Deutschen Hanfverband (DHV), der wohl bekanntesten Lobbygruppe für die Legalisierung von Cannabis. In einer Mitteilung übt der Verband scharfe Kritik am Papier aus dem Gesundheitsministerium, hält etliche Vorschläge für praxisfern und unrealistisch. „Eine THC-Obergrenze von 15 Prozent schließt einen Großteil des aktuell existierenden Marktes für Haschisch aus», heißt es in der Stellungnahme. Auch die Besitzobergrenze bezeichnet der DHV als wenig praktikabel. „Es gibt ja auch keine Besitzobergrenze von einem Kasten Bier», so Geschäftsführer Georg Wurth. Der Hanfverband fürchtet dadurch weiterhin Polizeikontrollen und Strafverfahren für Personen, die mit geringfügig höheren Mengen angetroffen werden. 

„Beispiellos restriktiv» sei die angedachte Begrenzung des Eigenanbaus auf zwei Pflanzen. Hier verweist der Verband auf das Beispiel Malta, das Ende 2021 den Eigenanbau vollständig legalisierte. Wurth befürchtet, mit diesen Eckpunkten würde es „nicht gelingen, die Konsumenten vom Schwarzmarkt und in die Shops zu holen», womit auch das Ziel des gewünschten Verbraucher- und Gesundheitsschutzes verfehlt würde. Ähnlich sieht dies Ates Gürpinar, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Die nach Altersgrenzen abgestuften THC-Mengen seien bürokratisch und böten auch für Erwachsene kein attraktives Angebot. „Es ist so, als würde man in Bayern nur Leichtbier erlauben. 2,5 Prozent bis 21 Jahre, darüber dann 3,5 Prozent Alkohol», so Gürpinar.

Wenig überraschend auf strikte Ablehnung stößt das Vorhaben in den Reihen der Union. „Es ist nicht nachvollziehbar, wie ein Arzt die Legalisierung in dieser Form vorantreibt», warnte der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion Bernhard Seidenath und griff damit Lauterbach direkt an. Der Gesundheitsminister – selbst gar nicht der euphorischste Vorkämpfer, sondern stets um Sachlichkeit in der Debatte bemüht – hatte zu solchen Vorwürfen bereits im Juni gesagt: »Der Cannabiskonsum in Maßen, gut abgesichert, in Qualität und ohne Beschaffungskriminalität ist etwas, was man akzeptieren muss und was zu einer modernen Gesellschaft dazugehört.«  

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