Söder zurück im Bierzelt

CSU-Chef Markus Söder will seine Macht über 2023 hinaus festigen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Es lässt sich erheblich leichter miteinander klarkommen, wenn zwei politische Alphatiere um Aufmerksamkeit buhlen, keines von beiden aber Ambitionen hegt, das andere zu verdrängen. Auf diesem Fundament fußt das von Markus Söder und Friedrich Merz am Wochenende auf dem CSU-Parteitag in Augsburg zelebrierte gemeinsame Bündnis. Bayerns Ministerpräsident sieht für sich zuvorderst ein Ziel, nämlich auch über den Herbst 2023 hinaus Regierungschef im Freistaat zu bleiben. Rund ein Jahr vor der Landtagswahl deutet viel darauf hin, dass es so kommen könnte: Umfragen sehen die CSU bei 37 bis 41 Prozent. Mit weitem Abstand dahinter folgen auf Platz zwei die Grünen, die mit 18 bis 20 Prozent rechnen könnten. Ihre populärste Vertreterin, die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag Katharina Schulze, wäre gerne als Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin in den Wahlkampf gezogen, doch aus dieser direkten Söder-Konkurrenz wird nichts. Weil Schulze erst 37 Jahre ist, bayerische Regierungschef*innen laut Verfassung aber mindestens 40 Lebensjahre auf dem Buckel haben müssen, kann die Grüne ihre Ambitionen beerdigen – auch weil die Regierungsmehrheit aus CSU und Freien Wählern eine Verfassungsänderung ablehnt. Zum Vergleich: In Bayerns Nachbarland Österreich wurde Sebastian Kurz 2017 mit gerade einmal 31 Jahren Kanzler.

Söder droht von ganz anderer Seite Gefahr, außerhalb Bayerns mag das für Schmunzeln sorgen: 2018 hatte die CSU die Landtagswahl mit 37,2 Prozent für sich entschieden. Was für Parteien in allen anderen Bundesländern ein Grund zum Jubel wäre, ist im Freistaat nah dran an Majestätsbeleidigung – zumindest aus Sicht der Christsozialen, die seit 1946 durchgängig Regierungspartei sind. Das letzte Mal lag die Partei 1954 unter der 40-Prozent-Marke. Söder gab dann auch das Versprechen, 2023 gehe es wieder aufwärts mit der CSU. Klappt das nicht, könnte seine bisher unangefochtene Position als CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident in Personalunion wackeln.

Damit es nicht dazu kommt, ist sich der 55-Jährige seit Monaten für keinen Auftritt bei jedem noch so kleinen bayerischen Volksfest zu schade. Noch dazu vollzog er wieder einmal einen Strategiewechsel, seine Kritiker*innen würden wohl von politischem Opportunismus sprechen. Bereits im Sommer hatte Söder erklärt, er strebe nicht erneut an, Kanzlerkandidat der Union zu werden. CDU-Chef Merz dürfte dies mit Wohlwollen registriert haben, ist er damit einen Konkurrenten los, was es auch leichter machte, sich auf dem CSU-Parteitag in Augsburg in demonstrativer Einigkeit zu üben. Von dieser Geschlossenheit konnte die Union im letzten Bundestagswahlkampf nur träumen. Nicht wenige in den beiden Schwesterparteien gehen davon aus, dass Söders Sticheleien gegen Kanzlerkandidat Armin Laschet zu dessen Niederlage beitrugen.

Im Herbst 2022 ist die Lage anders: Söder muss keine Rücksicht auf die Regierungskoalition im Bund nehmen, der CSU-Ministerpräsident kann in die gleiche Kerbe schlagen wie die oppositionelle Unionsfraktion im Bundestag. Merz wie Söder polterten in Augsburg einstimmig, wie katastrophal so ziemlich alles in Berlin laufe, der CSU-Vorsitzende malte dazu im Kontrast die bayerische Politik in den schönsten Farben. Fast noch wichtiger aber war ihm seine klare Absage an eine mögliche Koalition mit den Grünen, er wolle die Regierungsarbeit gemeinsam mit den Freien Wähler fortsetzen. Entsprechend ungehemmt lieferte Söder dann auch konservative Stammtischschlagworte, wetterte über die im Bund geplante Cannabis-Legalisierung, das Thema Abtreibung, erwähnte noch einmal den abgenutzten Sommerloch-Aufreger Winnetou und warnte vor einem angeblichen »fundamentalistischen Zwang« durch Wokeness – in Söders Welt umfasst das so ziemlich alle gesellschaftspolitisch progressiven Vorstellungen. Auch das von der Ampel-Regierung geplante Bürgergeld sei zu hoch. Das sind Stichworte, wie sie in ähnlicher Schärfe bei der AfD zum Standard gehören. Über die extreme Rechte verlor Söder in Augsburg jedoch kein Wort, obwohl die Rechtsaußenpartei für westdeutsche Verhältnisse 2018 in Bayern mit über zehn Prozent der Stimmen überdurchschnittlich stark abgeschnitten hatte und sich aktuell bundesweit im Aufwind befindet.

Es ist eine gefährliche Strategie, mit der Söder um Stimmen wirbt. Besonders in wirtschaftspolitischen Fragen gibt der Ministerpräsident den besorgten Landesvater, verspricht eine bayerische Energiewende und skizziert seine Visionen, wie das Bundesland führend in der Raumfahrtindustrie werden soll. Jenseits des Freistaates herrsche dagegen völliges Chaos und Planlosigkeit – ein Narrativ der Angst, wie es auch die radikale Rechte nutzt.

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