Deutscher, Jude und Kommunist

Der ehemalige Interbrigadist und Auschwitz-Häftling Kurt Goldstein ist gestorben

  • Fritz Noll
  • Lesedauer: 3 Min.
Einer der letzten Überlebenden von Auschwitz, der Bundesverdienstkreuz-Träger Kurt Julius Goldstein, starb am Montag im Alter von 92 Jahren. Die antifaschistische Bewegung unseres Landes wie Europas hat eine bemerkenswerte Persönlichkeit verloren.
»Ich bin Deutscher, Jude und Kommunist«, sagte er stolz über sich. 1914 als Sohn einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie im westfälischen Hamm geboren, trat Kurt Julius Goldstein bereits als Oberrealschüler der KPD bei. Sein Kreisvorsitzender damals hieß Max Reimann, der spätere KPD-Vorsitzende in der Bundesrepublik Deutschland. Als Jude und Kommunist in Nazideutschland doppelt bedroht, floh Kurt kurz nach der Machtübernahme durch die Faschisten ins Exil, nach Palästina. Als er dort, wenige Jahre später, die Nachricht vom Putsch Francos und seiner Generäle gegen die spanische Volksfrontregierung und von der weltweit einsetzenden Solidarität mit der Republik erfuhr, zauderte er nicht, bestieg sogleich ein Schiff, um den bedrängten Antifaschisten in Madrid zur Seite zu stehen. Kurt Goldstein wurde Interbrigadist und kämpfte bis zuletzt, bis die Freiwilligen aus aller Herren Länder zum Rückzug gezwungen waren. Mit tausenden anderen Interbrigadisten schlug er sich durch die Pyrenäen nach Frankreich durch. Dort wurde der Deutsche inhaftiert, saß drei Jahre im Internierungslager, um dann der SS ausgeliefert und nach Auschwitz deportiert zu werden. Als vor drei Jahren amerikanische Luftbilder aus dem Zweiten Weltkrieg aufgefunden wurden, auf denen die rauchenden Schornsteine der Krematorien deutlich zu erkennen sind, haben Überlebende des Holocausts eine Sammelklage gegen die Familie des US-Präsidenten Bush angestrebt, weil diese seinerzeit in die Machenschaften des Öl-Kartells verstrickt war, die eine gezielte Bombardierung der Gaskammern vereitelt hatte. Goldstein war einer der Kläger. Die Befreiung vom Faschismus erlebte er in Buchenwald. Er leistete im April 1945 den Schwur, der weltberühmt werden sollte: »Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg!« Die Jahre danach sahen ihn als Initiator der FDJ im Ruhrgebiet und Widerständler gegen das restaurative Adenauer-Regime. Anfang der 50er Jahre übersiedelte er in die DDR und engagierte sich zunächst in der gesamtdeutschen Gewerkschaftsarbeit. Dann wurde er zum Chefredakteur, später Intendanten des Deutschlandsenders berufen. Kurt Goldstein war nicht nur ein fleißiger, verantwortungsvoller Mensch, er genoss das Leben. Nach Jahren der Entbehrung verdientermaßen. Ich erinnere mich an so manche frohe Skatrunde, die ich mit Kurt und Gerhart Eisler, dem Vorsitzenden des Staatlichen Rundfunkkomitees, hatte, wenn ich Ostberlin besuchte. Neben Schwimmen war das Kartenspiel Kurts beliebteste Freizeitbeschäftigung. Nach seiner Zeit im Rundfunk ging er mit seiner Frau Margot nach Wien. Hier wirkt er als Sekretär der FIR, der Federation International de Resistance. Auch das Internationale Auschwitzkomitee band ihn ein. Nach 1989 widmete er sich ganz der Aufarbeitung der Geschichte, berichtete in Schulen Ost- und Westdeutschlands von seinem Leben und mahnte immer wieder, wenn er Geschichtsrevisionismus oder neonazistische Umtriebe erkannte. Auf zahlreichen Kundgebungen hielt er leidenschaftliche Reden. Es verging kein Monat, in dem er nicht einen öffentlichen Auftritt hatte. Auch bei uns in Krefeld und Mönchen-gladbach bereicherte er diverse Veranstaltungen der Gewerkschaftsjugend. Es beeindruckte die jungen Kollegen immer wieder, wie er, bereits hochbetagt, zweieinhalb Stunden frei sprechen konnte und sich danach noch Fragen stellte. Seit den 90er Jahren war Kurt Goldstein auch regelmäßiger Gast der Antifa-Bewegung in Spanien. Er beherrschte vier Sprachen. Das erleichterte es ihm, die vielseitigen internationalen Tätigkeiten wahrzunehmen. 2005 eröffnete er in New York eine Ausstellung der UNO zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Im April dieses Jahres war er bei den Erinnerungsfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Bombardierung der baskischen Stadt Gernika dabei, wo er allerdings einen Schwächeanfall erlitt. »Wir trauern um den Freund, den Weltbürger, den deutschen Juden, der seine Heimat zornig liebte und die ihm unendlich vieles zu danken hat«, betonte Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees. Fritz Noll ist Präsidiumsmitglied von ver.di Linker Niederrhein.
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