- Politik
- Soforthilfe bei Gaskosten
Kurzes Aufatmen für Gaskunden
Bundeskabinett beschließt Einmalzahlung zur Entlastung von Verbrauchern und kleineren Betrieben
Unmittelbar nach dem Kabinettsbeschluss vom Vormittag teilte Kanzler Olaf Scholz am Mittwoch via Twitter mit: »Die Soforthilfe kommt!« Gemeint ist eine Einmalzahlung für private und gewerbliche Gaskunden. Der Bund will den rund 1500 Gas- und Wärmeversorgern damit die Beträge überweisen, die sie normalerweise im Dezember in Form der Abschlags- oder Vorauszahlungen den Verbrauchern in Rechnung stellen würden. Die Regierung rechnet mit Kosten von neun Milliarden Euro für diese Maßnahme.
Grund für die Soforthilfe sind die gegenüber dem letzten Herbst teils vervierfachten oder gar verfünffachten Kosten der Verbraucher infolge der Gaspreisexplosion. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, auch wenn die Großhandelspreise zuletzt zurückgegangen seien, bleibe die weitere Entwicklung unsicher, Verbraucher und Unternehmen litten unter den hohen Preisen und bräuchten »dringend eine Entlastung«. Die Soforthilfe sei dabei ein »ganz wichtiger erster Schritt«. Weitere würden folgen, die Regierung arbeite »mit Hochdruck an der Umsetzung der Gas- und Strompreisbremsen«.
Vermieter sollen ihre Entlastung an die Mieter mit der Betriebskostenabrechnung für 2022 weitergeben. Mieter, die bereits seit Frühjahr erhöhte Betriebskostenvorauszahlungen leisten, sollen im Dezember von der Pflicht zur Leistung des Erhöhungsbetrages befreit werden. Bei Neuverträgen könne davon ausgegangen werden, dass bereits an die derzeitigen Energiekosten angepasste Abschläge vereinbart worden seien, heißt es im vom Kabinett beschlossenen Papier. Da Vermieter bis zu einem Jahr Zeit für die Vorlage der Betriebskostenabrechnung haben, sollen sie verpflichtet werden, die Entlastung schneller weiterzureichen.
Haben Kunden mit Direktvertrag ihrem Wärmeversorger eine Einzugsermächtigung erteilt, muss dieser im Dezember den Einzug aussetzen. Bei einem Dauerauftrag müsste dieser für Dezember geändert werden. Versäumt der Verbraucher dies, soll der Betrag in der nächsten Abrechnung verrechnet werden.
Der Gesetzentwurf zur »Soforthilfe« soll nach Regierungsangaben am 10. und 11. November im Bundestag beraten und abgestimmt werden, im Bundesrat am 11. November. Dafür sei eine Sondersitzung notwendig. Bis Anfang November sollen Verfahren und Regelungen für die Bestimmung der zu erstattenden Abschlagshöhe klar sein. Bis Mitte November sollen die Versorger die zu erstattende Abschlagssumme ermitteln. Bis zum 21. November sollen auf den Internetseiten der Erdgaslieferanten die Details der Soforthilfe einsehbar sein. Zum 1. Dezember sollen die Versorger die Abschläge erstattet bekommen.
Die Soforthilfe soll als Überbrückung bis zur Einführung der Gaspreisbremse für Haushalte im März dienen. Die Bundesregierung strebt dazu aber eine rückwirkende Entlastung zum 1. Februar an, wie es in einem Papier der Bundesregierung heißt. Was genau das bedeutet, ist offen. Die Versorger hatten erklärt, eine Gaspreisbremse sei vor März nicht umsetzbar. Allerdings soll sie für Unternehmen und große Industriekunden mit einem Verbrauch ab 1,5 Millionen Kilowattstunden, die die Einmalzahlung nicht erhalten, bereits ab Januar gelten.
Die Soforthilfe war einer der am 10. Oktober veröffentlichten Vorschläge der von der Regierung eingesetzten Expertenkommission zur Entlastung der Bürger bei den Strom- und Wärmekosten gewesen. Bei Unternehmen sollen demnach nur solche mit einem Jahresverbrauch von unter 1,5 Millionen Kilowattstunden von der Entlastung profitieren. Bestimmte Einrichtungen im Pflege- und Bildungsbereich und in der medizinischen Versorgung erhalten die Soforthilfe, auch wenn ihr Verbrauch höher ist.
Christian Leye, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, begrüßte es, dass die Ampel-Koalition, anders als von der Expertenkommission vorgeschlagen, die Einmalzahlung auf den Dezember- und nicht auf den Septemberabschlagsbeträgen fußen lassen will. Das sei aber nur ein »kleiner Trost«, erklärte Leye. »Sollte die Gaspreisbremse tatsächlich erst im Frühjahr kommen, müssen unbedingt mehrere Abschläge übernommen werden«, fordert der Politiker. »Sollte das nicht geschehen, bleiben die Menschen den Winter über weitgehend schutzlos.«
Ebenfalls am Mittwoch beschloss das Kabinett ein im Koalitionsvertrag angekündigtes Gesetzesvorhaben zur Beschleunigung von Asylverfahren. Die »Formulierungshilfe«, auf die sich die Ministerinnen und Minister einigten, sieht vor, dass die sogenannte Regelüberprüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgeschafft wird. Dabei wird bisher nach einer bestimmten Frist geprüft, ob es Gründe für einen Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung der Asylberechtigung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gibt. Die Überprüfung soll künftig, auch um das Bamf zu entlasten, nur noch »anlassbezogen« erfolgen.
Außerdem sollen Asylbewerber eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung in Anspruch nehmen können. Mit dieser sollen zivilgesellschaftliche Akteure betraut werden, die dafür Geld vom Bund erhalten. Für das Jahr 2023 sind dafür 20 Millionen Euro veranschlagt. Ab 2024 wird mit 80 Millionen Euro pro Jahr kalkuliert. Das Bundesinnenministerium schlägt dabei vor, dass diese unabhängige Beratung »wenn möglich« bereits vor der offiziellen Anhörung des Antragstellers im Bamf stattfindet. Die Anhörung könne zudem künftig »ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen«. Kürzer werden sollen auch die Asylklageverfahren bei den Verwaltungsgerichten, die laut Bundesregierung aktuell im Schnitt 26,6 Monate dauern. Hier soll eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung Abhilfe schaffen.
Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP wollen auf Basis des Vorschlags bald einen Gesetzentwurf vorlegen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.