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Investor wirft Senat Antisemitismus vor
Berlin will zwei Teilgrundstücke für Erinnerungsort erwerben
„Drei Jahrzehnte nach der Deutschen Einheit und 19 Jahre nach Einleitung des Insolvenzverfahrens gibt es nun endlich Bewegung am Checkpoint Charlie», freute sich Berlins Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) in der vergangenen Woche. Er konnte mitteilen, dass man sich mit einem Insolvenzverwalter auf den Ankauf von zwei Teilfächen beidseitig der Friedrichstraße am Checkpoint Charlie einigen konnte. Diese sollen für einen künftigen Bildungs- und Erinnerungsort genutzt werden, um damit der „Verantwortung gegenüber diesem geschichtsträchtigen Ort» gerecht zu werden.
In einem am Donnerstag an die Mitglieder des Abgeordnetenhauses versandten Brief erhebt der Geschäftsführer des Investors Trockland, Heskel Nathaniel, nun schwere Vorwürfe gegen den Senat. Der lange währende Streit um die Grundstücke erinnere ihn an die Dreyfus-Affäre, einen antisemitischen Justizskandal Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich. In dem mit viel Pathos verfassten Brief ist die Rede von manipulativen Handlungen. Nathaniel fordert die Abgeordneten auf, gegen den Grundstückskauf zu stimmen. Anderseits würden alle einen Ort erben, „der mit Schande, Schmerz und Machtmissbrauch übersät ist».
Trockland wollte auf den Flächen ursprünglich ein Immobilienprojekt verwirklichen. Schon 2015 erwarb es die Grundschuld, laut Trockland in Höhe von rund 100 Millionen Euro. Unter anderem sollten ein Hotel und Wohnungen an dem historischen Standort gebaut werden. Die Pläne des Investors durchkreuzte später die damalige Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) mit der Aufstellung eines Bebauungsplans, der 2020 schließlich vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde. Dadurch sei eine der Entwicklungsgesellschaften von Trockland in die Insolvenz getrieben worden, sagt Nathaniel. Ohne B-Plan hätte der Investor hier nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches freie Hand gehabt und hätte sich lediglich an der Umgebung bei seinem Vorhaben orientieren müssen.
Die heutige Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte sich in ihrer vormaligen Funktion als baupolitische Sprecherin der SPD-Abgeordnetenhausfraktion für den Investor eingesetzt. Bei anderen ist Trockland wegen der undurchsichtigen Unternehmensstruktur und Unklarheit bei den Finanzquellen umstritten. Auch im Friedrichshainer Laskerkiez ist der Investor, der hier einen Bürobau errichten will, Mietaktivisten ein Dorn im Auge.
Seinem Brief an die Abgeordneten hat der Geschäftsführer auch ein Schreiben an Andreas Geisel (SPD) vom Januar angehängt. Dort wird um die Gunst des Stadtentwicklungssenators geworben, mit dem „bereits in der Vergangenheit eine kooperative und respektvolle Stadtentwicklung nicht nur auf dem Papier stand, sondern tatsächlich gelebt wurde».
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