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Bärchen mit Herz

Berlin investiert knapp elf Millionen Euro in das nun gestartete Netzwerk der Wärme

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 5 Min.

»Berlin hält zusammen, auch in schwierigen Zeiten«: Es ist dieser Satz, den die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zuletzt immer wiederholt und variiert hat. So auch am Freitag, als sie zusammen mit Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) und 20 anderen Vertretern aus den Bereichen Soziales, Wirtschaft, Kultur und Religion im Wappensaal des Roten Rathauses die Berliner Charta der Wärme unterzeichnet. Das Motto der Charta: »Gemeinsam geht es besser!«

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine habe alle entsetzt, viele Berliner hätten berechtigte Sorgen angesichts der massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten, heißt es in der Vereinbarung. Und weiter: »Unser Netzwerk der Wärme schafft Orte für Austausch, Begegnung, Hilfe zur Selbsthilfe, kulturelle Betätigung und Beratung in den Kiezen, damit wir die Krisen besser bewältigen und gut durch den Winter kommen.« Beteiligt sind Stadtteilzentren, Nachbarschaftshäuser, Clubs, Museen, Bibliotheken, Kirchengemeinden, Sozialeinrichtungen und interkulturelle Treffpunkte, alle mit eigenen, unterschiedlichsten wohnortnahen Angeboten, vom gemeinsamen Pizzaabend bis zur individuellen Energieberatung. Franziska Giffey sagt: »Das wird vielen, vielen Menschen helfen.«

Für Erzbischof Heiner Koch ist das Zustandekommen von Netzwerk und Charta der Wärme ein Zeichen dafür, »dass Berlin ein Herz hat, wie ja auch dieses wunderschöne Bild zeigt«. Mit dem Bild meint Koch das Logo des Netzwerks auf dem Pappaufsteller hinter ihm: ein Comic-Bärchen, das ein Herz in den Tatzen hält. Nun liegt Schönheit, gar Wunderschönheit im Auge des Betrachters. Klar ist, dass das freundliche Herzbärchen in der nicht ganz zu Unrecht als rau verschrienen Hauptstadt vor allem eines symbolisieren soll: Herzlichkeit.

Es freue sie sehr, dass die Stadtgesellschaft hier in dieser Breite vertreten sei, um »ein Netz der Herzlichkeit zu knüpfen«, sagt dann auch Sozialsenatorin Katja Kipping bei der Unterzeichnung der Charta und ergänzt: »Da ist er, der berühmte Berlin-Spirit.«

Kipping hatte das Netzwerk der Wärme im Sommer angestoßen. Wobei zunächst nicht ganz klar war, was genau darunter zu verstehen ist. Wärmestuben für Menschen, die sich die Heizkosten nicht mehr leisten können? Nein, hatte die Linke-Politikerin schon Anfang September im Abgeordnetenhaus betont: »Es geht ausdrücklich nicht um die Maßnahmen des Katastrophenschutzes, die woanders vorbereitet werden. Es geht schlichtweg um Hilfe ohne Panik.«

»Ein Impuls für das Netzwerk der Wärme war der Blick auf die Älteren«, berichtet Kipping am Freitag. Nach zwei Corona-Wintern hätten nicht zuletzt Seniorinnen und Senioren Angst vor einem weiteren Winter der Entbehrungen. Das sei keineswegs nur eine Frage des Kontostands, ergänzt Eveline Lämmer, die Vorsitzende des Landesseniorenbeirats. »Das haben wir ja erst in der Pandemie erlebt, es ist auch die Einsamkeit, unter der die Älteren leiden müssen. Man ist in dieser großen Stadt schnell vollkommen abgetrennt. Und die Einsamkeit ist nicht abhängig vom Geldbeutel«, sagt Lämmer zu »nd«.

Als Teil des Netzwerks hätten der Landesseniorenbeirat und die Bezirkseniorenbeiräte nun die Stadtteilzentren, Begegnungsstätten und Seniorentreffpunkte gebeten, ihre normalen Öffnungszeiten zu verlängern und direkt Ältere anzusprechen, sagt Lämmer. »Nicht alle Älteren haben zu Hause Internet. Viele haben nur das Telefon. Da ist es wichtig, dass die jetzt den Kontakt aufnehmen und telefonieren, die Senioren einladen und sagen: Kommt zu uns.«

Auch Berlins Bibliotheken setzen auf verlängerte Öffnungszeiten. »61 der über 80 Standorte des Verbunds der Öffentlichen Bibliotheken haben jetzt im Rahmen des Netzwerks der Wärme die Möglichkeit, ihre Öffnungszeiten zu erweitern, elf werden auch am Wochenende länger öffnen und sogar sonntags«, sagt Jens Gehring, der Leiter der Stadtbibliothek Steglitz-Zehlendorf, zu »nd«. Zugleich halte man »eine Menge Angebote« vor, »mit Kooperationspartnern, die den Ort Bibliothek weiter bereichern, mit Sport, Bewegung, Vorlesen für Kinder und Familien, aber auch künstlerischen Dingen wie Keramik bemalen«. Auch die Sonntagsöffnungen müssen von Kooperationspartnern gestemmt werden, sagt Gehring. »Wir können jetzt nicht einfach sonntags arbeiten. Die Gesetzgebung erlaubt das nicht. Auch wenn wir das gern möchten.«

Wie Sozialsenatorin Kipping hervorhebt, sei das Netzwerk der Wärme letztlich nur ein Baustein des Berliner Entlastungspakets. Im gerade erst vom Senat auf den Weg gebrachten 2,6 Milliarden Euro schweren Nachtragshaushalt stehen für die Finanzierung der Netzwerk-Angebote 10,8 Millionen Euro zur Verfügung. Davon werde der größte Teil über die Bezirke verteilt, so Kipping. Jeder Bezirk soll demnach mit einem Zusatzbudget von 650.000 Euro versorgt werden, das dann wiederum von dort aus an die beteiligten Krisenhelfer in den Kiezen verteilt werden soll.

Denn auch darum geht es beim Netzwerk der Wärme: Hilfe für die Helfer. »Eine Sorge von bestehenden sozialen Begegnungsstätten ist, dass es jetzt angesichts der nächsten Krise wieder heißt: Nett, dass es euch gibt, aber leider seid ihr nicht systemrelevant. Nicht so Berlin«, hatte Kipping jüngst auf dem Linke-Landesparteitag gesagt. Wichtig sei es, »soziale Orte gerade jetzt zu unterstützen und in einem gemeinsamen Netzwerk zu stärken«.

Bedenken, dass Beantragung und Auszahlung der versprochenen Gelder – ebenfalls berlintypisch – durch den Verwaltungsdschungel erschwert werden könnten, hält wenigstens die Regierende Bürgermeisterin für unbegründet. »Ich gehe davon aus, dass die Gelder unkompliziert und rasch bei den Einrichtungen ankommen«, sagt Franziska Giffey zu »nd«.

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