Licht an für den Nachtragshaushalt

Schaulaufen im Abgeordnetenhaus um das Berliner 2,6-Milliarden-Entlastungspaket

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.
Lichterglanz und Stromverschwendung: Die CDU ist in Sorge um die Weihnachtsstimmung in der Hauptstadt.
Lichterglanz und Stromverschwendung: Die CDU ist in Sorge um die Weihnachtsstimmung in der Hauptstadt.

Berlins CDU sorgt sich um das Straßenflair. »Es ist ein falsches Zeichen, wenn wir Symbole der Freiheit wie das Brandenburger Tor nachts nicht anstrahlen«, erklärte Christian Goiny, der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Überhaupt setze Rot-Grün-Rot mit Blick auf Weihnachten lauter falsche Zeichen, etwa indem man den Weihnachtsbeleuchtungszuschuss an Einzelhändler streiche. »Sie lassen die Menschen allein in dieser Stadt«, rief Goiny den Abgeordneten der Koalition zu. Seine Forderungen: Wegfall der Gebühren und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für Advents- und Weihnachtsmärkte, Ausschalten von Parkuhren im Umfeld von Einkaufsstraßen in der Adventszeit.

Der Vorwurf der Weihnachtsfeindlichkeit gegen SPD, Grüne und Linke ist insofern verwunderlich, als sich die für Donnerstag einberufene Sondersitzung des Abgeordnetenhauses eigentlich um den vor einer Woche vom Senat beschlossenen Entwurf zum Nachtragshaushalt drehte, das Thema also allenfalls über ein paar Ecken berührte. Schon unmittelbar nach der Senatssitzung hatte die CDU dabei beklagt, dass in dem 2,6 Milliarden Euro schweren Zusatzpaket zur Entlastung der Berlinerinnen und Berliner die Wirtschaft »vergessen« worden sei. Und, wie Goiny nun konkretisierte, eben auch die Adventsmärkte.

»Wenn das die einzigen Kritikpunkte sind, dann haben wir ja alles richtig gemacht«, erwiderte dann auch Sebastian Schlüsselburg, der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion. Er machte bei der Gelegenheit noch einmal deutlich, dass diesem Nachtragshaushalt möglicherweise weitere Nachträge folgen werden. »Unser Ziel ist klar, unsere Botschaft ist deutlich: Rot-Grün-Rot lässt niemanden zurück«, wiederholte Schlüsselburg das koalitionäre Leitmotiv der vergangenen Wochen und Monate. Ähnlich hatten es zuvor Torsten Schneider für die SPD, André Schulze für die Grünen und Finanzsenator Daniel Wesener formuliert.

Grünen-Senator Wesener erinnerte zugleich daran, dass der Nachtragshaushalt ohne zusätzliche Schulden auskomme. »Das ist auch gut so, denn die neuen Kreditkonditionen würden den Haushalt langfristig zusätzlich belasten.« Denn klar sei: Durch steigende Zinsen wird auch das Schuldenmachen teurer. Bereits jetzt geht Wesener davon aus, dass Berlin am Ende der Legislaturperiode eine halbe Milliarde Euro pro Jahr mehr für Zinsen ausgeben müsse als heute. »Daher ist es geboten, das Pulver trocken zu halten.« Etwas Eigenlob durfte auch bei Daniel Wesener nicht fehlen. »Mit dem Gesetz über den Nachtragshaushalt haben wir unsere Hausaufgaben gemacht, und das in kürzester Zeit«, gab sich der Finanzsenator erfreut.

Tatsächlich geht das Berliner Entlastungspaket in rekordverdächtiger Zeit durch die Gremien und über die Bühne. Nach dem Beschluss im Senat am vergangenen Dienstag und den Beratungen im Hauptausschuss und im Plenum des Abgeordnetenhauses in dieser Woche soll das Haushaltsgesetz bereits am kommenden Montag im Parlament verabschiedet werden – zwei Tage, bevor der Landesverfassungsgerichtshof über die Wiederholung der Berlin-Wahlen entscheidet.

Das gehe alles viel zu schnell, man habe schon im August einen Nachtragshaushalt gefordert, und das Tempo rühre »ja nur daher, dass wir nach dem 16. November keinen gültigen Haushalt mehr beschließen können«, moserte diesbezüglich CDU-Mann Christian Goiny. Nun wird allgemein davon ausgegangen, dass das Abgeordnetenhaus auch nach kommendem Mittwoch und der mutmaßlichen Entscheidung für eine Wiederholungswahl weitgehend beschlussfähig bleibt, aber geschenkt.

Berlin ist unübersehbar bereits im Vorwahlkampf und die erste Lesung des Nachtragshaushalts glich dementsprechend einem Schaulaufen der Parteien. Wie der CDU-Abgeordnete Goiny hatte dabei auch Sibylle Meister, die haushaltspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, vor allem die Nöte der Berliner Wirtschaft im Visier. »Ich möchte nicht, dass Weihnachten auch noch der letzte Bäcker schließt«, malte Meister die Lage ordentlich düster. Auch beklagte sie in der Koalition »ein Klima, das Wirtschaft nur verdammt« und – wie im Fall der nun vorerst gekippten Autofreiheit der Friedrichstraße – »den Einzelhandel quält«.

Linke-Politiker Sebastian Schlüsselburg schoss sich im Gegenzug genüsslich auf die »Irrfahrten« der Ampel-Regierung im Bund und hier insbesondere die der FDP ein. »Viel zu lange hat die Ampel-Regierung den Ernst der Lage unterschätzt«, sagte Schlüsselburg. Dagegen gehe die Koalition in Berlin »im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen besseren, einen schnelleren, einen solidarischeren Weg« – ob man nun das über den Nachtragsetat finanzierte Netzwerk der Wärme von Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) nehme, das 9-Euro-Sozialticket oder den Härtefallfonds für Menschen, die ihre Strom- und Gasrechnung nicht mehr bezahlen können.

Jenseits aller Wahlkampfrhetorik gilt es als sicher, dass der Nachtragshaushalt am kommenden Montag in der vom Senat vorgelegten Form vom Abgeordnetenhaus beschlossen wird.

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