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Hightech für Bergung militärischer Altlasten
Bund gibt Geld für Entsorgung von Weltkriegsmunition in Nord- und Ostsee
Der Naturschutzbund (Nabu) spricht bereits von einem Meilenstein für den Meeresschutz und markiert somit eine historische Einordnung: Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat auf der Zielgeraden seiner Beratungen die Anschubfinanzierung für eine systematische Bergung von Weltkriegsmunition vom Meeresgrund beschlossen. Damit ist ein Sofortprogramm in Höhe von 102 Millionen Euro bis 2026 gesichert, das den Bau eines Prototyps einer Hightech-Bergungsplattform beinhaltet. Entsprechende Entwürfe dafür hat die Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems, die sonst Kriegsschiffe baut, schon länger in ihrer Schublade. Nach einer europaweiten Ausschreibung könnte 2024 die Konstruktion starten und im Optimalfall ein weiteres Jahr darauf der Einsatz in einer Pilotregion der Ostsee beginnen. Im Gespräch dafür ist das Munitionsversenkungsgebiet Kolberger Heide nordöstlich der Kieler Außenförde, wo die gefährlichen Altlasten teilweise nur gerade mal 20 Meter tief anzutreffen sind.
Die Plattform soll nach der Idee der Entwickler unbemannt bleiben und mit Robotertechnik und digitaler IT gesteuert werden. Nach Bergung unter Einsatz von Unterwasser-Drohnen würden die Sprengkörper in Stahlkammern unschädlich gemacht und verbrannt. Schlepper sollen die Plattform jeweils zu ihrem Einsatzort bringen. Gefährliche Tauchgänge und die besonders für Schweinswale so gefährlichen Unterwasser-Sprengungen würden mit solch einer neuen Bergungsmethode dann der Vergangenheit angehören – ein Zustand, der Umweltschützer, Fischer, Touristen, Schifffahrt und Bauträger von Offshore-Windparks gleichermaßen erfreut. Die IHK Kiel frohlockt ebenfalls, sieht sie doch wirtschaftliches Entwicklungspotential für einen internationalen Export von Technologie und Know-how auf diesem neuartigen Gebiet, wozu aber auch bereits in Polen gearbeitet wird. Auch die IG Metall begrüßt die Haushaltsentscheidung der Berliner Ampel-Regierung.
Als nächster Schritt steht nun die Aufstellung eines Bund-Länder-Fonds an, um die Finanzierung auch für die Folgejahre abzusichern. Die Kampfmittelräumdienste der Küstenländer von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sehen sich ohne Bundeshilfe nicht in der Lage, das Problem der tickenden Zeitbomben auf dem Meeresgrund zu bewältigen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) weiß um die Langatmigkeit des geplanten Vorhabens: »Die systematische Beseitigung von Munition im Meer ist eine Langzeitaufgabe, aber jeder Marathon beginnt mit einem ersten Schritt.«
Umweltexperten warnen seit langem vor den Gefahren, die vom fortschreitenden Korrosionsprozess etwa bei TNT-haltigen Sprengköpfen und Seeminen ausgehen. Dieser hat laut Alfred-Wegener-Institut und Thünen Institut zur Folge, dass sich seit Jahren Spuren der krebserregenden Kampfstoffe in Plattfischen und Miesmuscheln anreichern. Sie gehen so in die Nahrungskette über und schädigen zugleich das Erbgut der Meerestiere. Experten schätzen, dass zur Bundesrepublik gehörenden Nord- und Ostseegebieten noch rund 1,6 Millionen Tonnen militärischer Altlasten lagern.
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