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Kein Bier für die Fans
Der Umgang der Katarer und der Fifa mit dem Thema Alkohol wirft rund um die Weltmeisterschaft viele Fragen auf
Ein Hauch von Abenteuer begleitet den Versuch, in den Tagen vor dem Eröffnungsspiel ein Bier in Doha zu trinken. An den Eingängen der wenigen Bars, die Alkohol ausschenken, stehen Aufpasser, die Ausweise verlangen und einscannen. Drinnen im Hilton Double Tree herrscht eine Stimmung wie in einer verbotenen Speakeasy-Bar während der Prohibition in den USA. Es ist spürbar, dass hier eine Veranstaltung am Rande der Legalität stattfindet. Es wird getanzt, einige Besucherinnen tragen Kleider, mit denen sie auf der Straße zum öffentlichen Ärgernis werden würden. Und dennoch entwickelt sich hier so etwas wie WM-Atmosphäre, wo Besucher aus der ganzen Welt und auch ein paar Menschen aus Katar aufeinandertreffen, um sich mit Bieren für umgerechnet etwas mehr als fünfzehn Euro zu berauschen.
Wer will, findet zwei Ecken weiter sogar einen halben Liter für gut zehn Euro, und auf dem offiziellen Fifa-Fan-Fest kostet der Becher Budweiser 50 Riyal, was etwa 13 Euro entspricht. Aber es ist ein harter Kampf durch chaotische Sicherheitskontrollen bis zu diesem gigantischen Event. »Es gibt zehn Fan-Zonen und rund 200 Orte in Katar, an denen man Alkohol trinken kann. Wenn man das drei Stunden lang nicht kann, wird man das auch überleben«, hat Fifa-Präsident Gianni Infantino einige Stunden vorher zu der plötzlichen Entscheidung gesagt, an den Stadien gar kein Bier auszuschenken: »Die gleichen Regeln gelten in Frankreich, Spanien und Schottland. Dort gibt es auch kein Bier beim Fußball. Ich weiß nicht, warum es hier so besonders ist.«
Die Antwort ist einfach: Weil alle Besucher nicht nur viel Geld bezahlen, sondern viel Aufwand betreiben müssen, um an Alkohol zu kommen. Die wenigen Bars mit entsprechender Lizenz sind voll und laut, wahrscheinlich werden die meisten Besucher abgewiesen, wenn erstmal alle Touristen da sind. Das Fan-Fest findet auf einem hässlichen Asphaltplatz ohne Schatten statt, Sitzmöglichkeiten haben nur VIPs. Schöne Plätze zum Konsum gibt es kaum. Zunächst sollte es neben der Ausgabe auf den offiziellen Fan-Festen auch an den Stadien Budweiser geben, drei Stunden vor Beginn der Spiele bis zum Anpfiff sowie eine Stunde lang nach dem Ende der Partien. Am Freitag kippte diese Vereinbarung, und vieles deutet darauf hin, dass die konservativen Kräfte in Katar an dieser Stelle massiv Druck auf die Fifa ausgeübt haben.
Budweiser gehört zu den treuesten Fifa-Sponsoren, nun musste dieser verlässliche Geldgeber fertige Verkaufsstände vor den Stadien wieder abbauen. Mancher Beobachter folgerte, dass damit erkennbar werde, wer bei dieser WM in Wahrheit bestimmt: nicht die Fifa, sondern der monarchische Gastgeberstaat. Es besteht die Sorge, dass auch andere Absprachen spontan rückgängig gemacht werden, zum Beispiel das Versprechen, dass homosexuelle Menschen willkommen sind.
Dieser Befürchtung widersprach Infantino am Samstag allerdings vehement: »Die Sicherheit ist für alle garantiert, von der höchsten Ebene des Landes, das ist eine Garantie, die wir ausgesprochen haben, die wir immer noch verteidigen und zu der wir stehen«, sagte er. Und die Bier-Restriktionen seien im Einvernehmen zwischen Fifa und Kataris entstanden: »Jede Entscheidung, die hier bei der WM getroffen wird, ist eine gemeinsame Entscheidung zwischen Katar und der Fifa«, sagte Infantino.
Als Grund für diese seltsame Wendung nannte er die Tatsache, dass es bei dieser WM erstmals überhaupt mehrere Spiele an einem Tag in einer Stadt gebe: »Da muss man schauen, wie die Menschen sich bewegen. Deswegen haben wir uns entschieden, in den Stadien kein Bier zu verkaufen.« Besonders schlüssig klingt das nicht, zumal der Weltverband sich im Vorfeld der WM in Brasilien sehr unnachgiebig in der Bierfrage gezeigt hatte. In Brasilien ist Alkohol in den Stadien grundsätzlich verboten, und als zwei Jahre vor dem Turnier noch keine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen worden war, erklärte der damalige Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke: »Der Alkohol ist Teil der Fifa-WM. Darüber verhandeln wir nicht. Das Gesetz muss eine Bestimmung enthalten, wonach wir das Recht haben, Bier zu verkaufen«.
Lesen Sie alle unsere Beiträge zur Fußball-WM in Katar unter: dasnd.de/katar
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