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Schlagabtausch mit Lach-Faktor
Wie sich Bundeskanzler Olaf Scholz in der Generaldebatte gegen die Angriffe aus der Union wehrte
Es sind keine einfachen Zeiten für den Bundeskanzler. In Umfragen krebst seine SPD, die Siegerin der Bundestagswahl 2021, nur noch bei um die 20 Prozent herum, während die CDU mit ihrem nicht mehr ganz neuen Vorsitzenden Friedrich Merz ihre Talsohle längst überwunden und sich mittlerweile sogar einen satten Vorsprung von etwa acht Prozent erarbeitet hat. Im neuesten Insa-Meinungstrend kommen die Ampel-Parteien nur noch auf zusammengerechnet 44,5 Prozent, damit haben sie gegenüber den Oppositionskräften ihre Mehrheit verloren. Und da wäre dann auch noch das ewige Theater ums Bürgergeld, bei dem sich die Union mit ihrer Forderung nach Beibehaltung der Sanktionen letztlich gegen Olaf Scholz durchsetzen konnte.
Entsprechend selbstbewusst ging Merz am Mittwoch in die Generaldebatte der abschließenden Haushaltswoche. Der CDU-Chef warf Scholz »Wortbruch gegenüber dem Parlament und vor allem der Bundeswehr« vor. Der Grund: Der Verteidigungshaushalt steige nicht wie verabredet um mindestens zwei Prozent, sondern er sinke um fast 300 Millionen Euro. Unmittelbar nach Russlands Einmarsch in die Ukraine vor nunmehr neun Monaten hatte Scholz in seiner »Zeitenwende«-Rede noch versprochen, künftig das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen.
Dann nahm sich Merz den Wirtschaftsminister vor: Dieser habe die Öffentlichkeit und das Parlament »vorsätzlich und bewusst getäuscht«, weil die von der Ministeriumsspitze »gewünschten Ergebnisse« des zweiten AKW-Stresstests schon im Voraus festgestanden hätten. Zur Erinnerung: Im Gegensatz zu den Netzbetreibern, die im Ergebnis dieses Tests die Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Stromkapazität empfahlen, plädierte Robert Habeck zunächst nur für zwei der drei verbliebenen Atommeiler als Notreserve. Letztlich war es der Kanzler, der in einem Machtwort entschied, dass alle drei Atomkraftwerke bis zum 15. April des kommenden Jahres weiterlaufen sollen.
Laut einem Bericht der »Welt« sollen interne Dokumente darauf hindeuten, dass es keine ergebnisoffene Prüfung gegeben habe. Das Umweltministerium als oberste Atombehörde widerspricht dieser Darstellung. Für die Atomfans aus der Union, die seinerzeit unter Kanzlerin Angela Merkel den Ausstieg noch selbst beschlossen hatte, nun aber offenbar kein Problem mehr mit dieser Hochrisikotechnologie hat, bietet sie hingegen eine willkommene Angriffsfläche. Ursprünglich sollte die Atomkraft zum Jahresende beerdigt werden. Die Grünen, die in dieser Koalition bereits eine Menge Kröten schlucken mussten, kämpften für diese Linie hartnäckiger als um andere Grundsätze – allerdings vergebens.
Man muss Merz lassen, dass er Pointen setzen kann. Das hat er seinem Widersacher im Kanzleramt voraus, der bekanntlich eher zur Monotonie neigt. Diesmal versuchte es Scholz gleich zu Beginn seiner Rede mit einem Lacher: Merz› Rede habe ihn an das Märchen »Alice im Wunderland« erinnert. Er verwies auf neue Möglichkeiten der Energieversorgung etwa durch LNG-Flüssiggasterminals, aber auch den Ausbau der erneuerbaren Energien, den diese Koalition schneller vorangetrieben habe als bisherige Regierungen, »übrigens auch in Bundesländern im Süden unserer Republik, wo dieser Ausbau bisher stockte«. Ein Seitenhieb auf Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der sich lange Zeit an die 10H-Regel klammerte. Diese besagt, dass Windkraftanlagen einen Mindestabstand zu Wohnbebauung haben müssen.
Auch warf Scholz den ehemaligen Verteidigungsministern der Union vor, die Bundeswehr vernachlässigt zu haben. Er wiederholte, das Zwei-Prozent-Ziel erfüllen zu wollen, allerdings verfolge er einen langfristigen Plan, keine »schnelle, hektische PR-Erklärung«. Wichtig sei zudem das Treffen mit Chinas Machthaber Xi gewesen, das Merz kritisiert hatte. Xi hatte sich gegen den Einsatz von Atomwaffen ausgesprochen, was Scholz als Ertrag seiner Reise präsentierte. Fazit des Kanzlers, zweiter Lacher inklusive: Wer wie Merz glaube, nicht die letzten 16 Jahre CDU-Regierung seien das Problem, »der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen«.
Es standen also am Mittwoch nicht nur die nackten Zahlen für das kommende Jahr im Fokus, wie immer in Generaldebatten ging es um die gesamte Regierungsarbeit. An der konkreten Haushaltsplanung hatte sich bereits am Dienstag Kritik entzündet. Nachdem die Schuldenbremse zuletzt drei Jahre in Folge zuerst wegen der Corona-Pandemie und dann aufgrund des Krieges in der Ukraine ausgesetzt worden war, soll sie für 2023 wieder gelten. Allerdings sind die Krisen längst nicht überstanden, weshalb die Regierung weitere Sonderausgaben veranlasste, die aber nicht über den regulären Haushalt, sondern über Sondervermögen abgerechnet werden: 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, was von der Linken heftig kritisiert wird, und 200 Milliarden Euro zur Abfederung der Energiekrise, auch »Doppel-Wumms« genannt. Gesine Lötzsch aus der Linksfraktion kritisierte am Dienstag, dass die Ampel-Koalition die Wohlhabenden nicht stärker zur Kasse bitte.
Insgesamt will die Ampel im kommenden Jahr rund 476 Milliarden Euro ausgeben, das sind rund 20 Milliarden weniger als 2022. Allerdings soll der Kredit-Spielraum der Schuldenbremse von rund 45 Milliarden Euro, den es wegen schlechter Konjunktur gibt, vollständig ausgeschöpft werden.
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