• Politik
  • Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

Nicht genug Schutz vor Gewalt

In Deutschland erleiden jede Stunde durchschnittlich 13 Frauen Gewalt in der Partnerschaft

  • Johanna Montanari
  • Lesedauer: 3 Min.

Die in Deutschland angezeigten Gewalttaten in Partnerschaften steigen an. Im letzten Jahr wurden 143 016 Fälle bekannt, wie der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Donnerstag in Berlin mitteilten. Das war zwar im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Rückgang. Allerdings stieg die Zahl der erfassten Opfer von Partnerschaftsgewalt zugleich seit 2017 und damit binnen fünf Jahren um 3,4 Prozent an. Von den zur Anzeige gebrachten Gewalttaten waren zu rund 80 Prozent Frauen betroffen, die Tatverdächtigen waren fast zu 80 Prozent Männer. Es besteht also großer Handlungsbedarf, obwohl sich in den letzten Jahren beim Gewaltschutz bereits viel getan hat.

Dazu gehört auch die Arbeit mit Tätern, die verhindern soll, dass diese erneut gewalttätig werden. Gerhard Hafner ist Psychologe und hat die »Beratung für Männer – gegen Gewalt« bei der Berliner Volkssolidarität gegründet. »Ich habe Anfang der 90er Jahre mit Täterarbeit angefangen. Damals wurden nur wenige Männer zu uns geschickt«, sagt er gegenüber »nd«. »Inzwischen hat der Staat verstanden: Fälle häuslicher Gewalt sind keine Familienstreitigkeiten, sondern Verbrechen.«

Die Istanbul-Konvention, ein völkerrechtlicher Vertrag zum Schutz gegen geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und gegen häusliche Gewalt, verpflichtet Länder, Maßnahmen zum Gewaltschutz zu realisieren. Sie ist »auch als Argumentationsgrundlage für die Finanzierung unserer Projekte« enorm wichtig, sagt Isabella Spiesberger, die im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt, dem profeministischen deutschen Dachverband der Täterarbeitseinrichtungen, aktiv ist und als angestellte Beraterin beim Berliner Zentrum für Gewaltprävention arbeitet. Täterarbeit ist dabei Teil einer sogenannten Interventionskette. »Wir arbeiten nicht isoliert, sondern im Kooperationsbündnis mit den Frauenberatungsstellen, mit den Opferschutzeinrichtungen, mit der Justiz, mit den Jugendämtern und mit der Polizei. Da findet ein teils sehr intensiver Fallaustausch statt«, sagt Spiesberger.

»Männer werden aus ganz unterschiedlichen Gründen Täter,« sagt Hafner. »Sie kommen aus allen Schichten, aus allen Hintergründen, aus allen Altersstufen.« Warum und wann Menschen gewalttätig werden, lässt sich nicht sagen, aber einige Faktoren lassen sich schon benennen. Hafner erwähnt die große Bedeutung von Rollenvorstellungen von Männlichkeit. »Viele wollen vielleicht wiederholen, was der Papa schon gemacht hat«, so der Psychologe. Männer hätten außerdem oft nicht gelernt, mit ihrer Partnerin Dinge zu besprechen. Oft geschehe Gewalt auch in Trennungssituationen, wenn Männer nicht akzeptieren wollen, dass die Frau nicht ihr Besitz ist.

Ein Faktor sind auch eigene Gewalterfahrungen. »Die meisten, die zu uns kommen, haben in ihrer eigenen Kindheit auch Gewalt erfahren, entweder direkt an sich oder sie hatten Eltern, die untereinander Gewalt ausgeübt haben,« sagt Spiesberger. Hafner lobt die Entwicklung, dass inzwischen auch die Kinder mehr Beachtung finden, die häusliche Gewalt selbst erfahren oder miterleben. Spiesberger sagt dazu: »Studien belegen recht deutlich, dass Kinder die Gewalt immer miterleben. Also es geht nicht nur um den Gewaltakt selbst, sondern auch um die ganze Atmosphäre, die angstbehaftet ist.«

Es ist also schon viel passiert, doch noch nicht genug. Insbesondere Personen mit Behinderungen oder Wohnungslosigkeit haben bisher erschwerten Zugang zu den Angeboten zum Gewaltschutz. Die Istanbul-Konvention, die in Deutschland bereits im Februar 2018 in Kraft trat, ist weiterhin nicht vollständig umgesetzt. Die Ampel hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, die weitere Umsetzung auf Bundesebene stärker voranzutreiben. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatten sich Bund, Länder und Kommunen an den Runden Tisch »Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen« zusammengesetzt und ein Positionspapier verabschiedet, das Empfehlungen für eine bundesgesetzliche Regelung ausspricht, die es allen gewaltbetroffenen Frauen verlässlich ermöglicht, professionelle Unterstützung zu erhalten. Auch in der aktuellen Legislaturperiode traf sich der Runde Tisch bereits. Doch wann die Istanbul-Konvention hierzulande wirklich umgesetzt wird, bleibt unklar.

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