Ihr Auto würde CDU wählen

Berlins Konservative bringen sich mit Landeschef Kai Wegner in Stellung für den Kampf ums Rote Rathaus

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 6 Min.

Folgt man Berlins CDU, steht die Hauptstadt eigentlich am Abgrund. Auf dem Landesparteitag der Christdemokraten am Samstag ist fast unablässig von Chaos die Rede: Verkehrschaos, Verwaltungschaos und natürlich immer wieder Wahlchaos. »Jedes Wahlplakat, das ab dem 2. Januar in der Stadt hängt, ist eine Anklage gegen diesen Senat«, sagt Stefan Evers, der Generalsekretär der Berliner CDU. Die Richtung ist klar: »Wer Veränderung will, muss diesmal CDU wählen.«

Die Union hofft, bei der Wiederholungswahl am 12. Februar als Sieger vom Feld zu gehen und mit ihrem Landes- und Fraktionschef Kai Wegner den künftigen Regierenden Bürgermeister zu stellen. »Ich freue mich, dass Berlin eine Chance bekommt, einen Neustart zu wählen«, sagt Wegner in seiner Rede. Es müsse Schluss sein damit, »dass Menschen über Berlin lachen, weil nichts funktioniert«.

Wenig überraschend schießt sich die CDU im Wahlkampf insbesondere auf die seit 21 Jahren in Berlin regierende SPD ein. »Wenn man so lange Verantwortung trägt, wenn man so lange das Rote Rathaus besetzt, dann macht sich in einer Stadt auch ein System breit, das System SPD, und dieses System nutzt unserer Stadt nicht mehr«, sagt Wegner und gibt im Anschluss den Fußballtrainer: »Das System SPD hat fertig.«

Was die seit sechs Jahren zusammen mit SPD und Linken mitregierenden Grünen betreffe, so sei es laut Wegner zwar »schön« und »bemerkenswert«, dass diese auf ihrem Parteitag eine Woche zuvor erklärt hätten, künftig eine radikale Verwaltungsreform angehen zu wollen. Doch davon abgesehen lässt er auch an den Grünen kein gutes Haar, insbesondere mit Blick auf ihre Verkehrspolitik.

»Wer sich wirklich darauf verlassen will, dass das Auto auch in Zukunft eine Rolle spielt, der kann nur CDU wählen. Wir lassen uns das Auto auch in Berlin nicht verbieten«, ruft Wegner und erntet dafür großen Applaus. Und wo es schon einmal um die Forderung nach dem »fließenden, funktionierenden« Autoverkehr geht, ist die Stadtautobahn A100 nicht weit. Wegner sagt: »Mit uns wird es den vollständigen Ausbau der A100 geben. Wir brauchen leistungsfähige Verkehrsachsen in unserer Stadt. Und das machen wir nicht aus ideologischen Gründen, sondern das machen wir, weil die Wirtschaft leistungsfähige Verkehrsachsen braucht.«

Mit den »Bullerbü-Fantasien« von Grünen-Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch könne die Stadt nicht »am Laufen gehalten« werden. »Wer Bettina Jarasch wählt, bekommt mehr Bullerbü. Wer Kai Wegner wählt, bekommt mehr Berlin«, sagt Kai Wegner.

Zuvor hatte ihm CDU-Bundeschef Friedrich Merz seine Unterstützung im Wahlkampf zugesagt, auch wenn man nicht den Eindruck bekam, er räumte Wegner große Chancen auf den Chefsessel im Roten Rathaus ein. »Diese Berliner CDU ist auf einem guten Weg und diese Stadt kann ab Februar besser regiert werden«, sagt Merz. Enthusiasmus klingt anders. Merz kümmert sich in seiner Rede dann ohnehin lieber um seine großen außen- und bundespolitischen Linien: Krieg, Krise, Kernkraft.

Merz scheint sich letztlich auch nur bedingt auf den Termin bei den Berliner Parteifreunden vorbereitet zu haben. Offensichtlich wird das, als er gegen das Vorhaben der autofreien Friedrichstraße zu Felde zieht. »Was soll denn dieser Quatsch mit der Friedrichstraße, mit dieser Sperrung da? Was soll denn dieser Unsinn von dieser Stadtregierung?«, redet sich Merz in Rage. Und weiter: »Der zuständige Innensenator, der dieses Desaster mit der Wahl veranstaltet hat am 26. September 2021, ist ja heute bekanntermaßen Verkehrssenator.« Merz meint den ehemaligen Innensenator Andreas Geisel (SPD), heute Bausenator. »Bau? Noch schlimmer«, quittiert er die entsprechende Korrektur aus den Delegiertenreihen.

Zuletzt richtet der Sauerländer noch eine »herzliche Bitte« an die Berliner. Man möge doch »geschlossen« im Wahlkampf auftreten. »Der Anspruch muss sein, und ich bin mir sicher, dass Kai Wegner den erfüllen kann: Die CDU muss deutlich und klar auf Platz eins liegen«, sagt Merz. Dass Mario Czaja, inzwischen Generalsekretär der Bundes-CDU, der Linkspartei im September 2021 den Bundestagswahlkreis Marzahn-Hellersdorf abgenommen habe, zeige ja: »Wir können doch was schaffen. Wir kriegen doch was hin.«

Mutmachversuch oder Giftpfeil? Czaja und Wegner gelten – und in diesem Fall tatsächlich bekanntermaßen – als alles andere als dicke Freunde. So hatten Wegner und sein Landesverband Czaja vor der Bundestagswahl 2021 auf einen hoffnungslosen Landeslistenplatz abgeschoben. Der Ostberliner bedankte sich dafür mit öffentlichen Angriffen auf den Landeschef. Das Bundestagsmandat gewann er trotzdem, nur eben direkt.

Willkommen im Intrigantenstadl, hieß es auch Ende Oktober, als Pläne über die Medien kolportiert wurden, nicht Wegner, sondern Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn solle Spitzenkandidat der Hauptstadt-CDU bei der Wiederholungswahl werden. Die Aufregung war groß, Wegner beharrte auf seinem Führungsanspruch, es folgten Dementis von allen Seiten. Der Vorwahlkampf war dennoch mit hässlichen Schlagzeilen gespickt. Spekuliert wurde, dass der Putschversuch nur auf einen zurückgehen könne: Mario Czaja, die rechte Hand von Merz.

Kein Wort davon auf dem Landesparteitag. Natürlich nicht. Stattdessen ein strahlender Spitzenkandidat Wegner, der sagt: »Ich spüre unsere Geschlossenheit, ich spüre einen Aufbruch.« Und genau diese Botschaft solle auch in die Stadt gesendet werden. Am Ende wählen die fast 300 Delegierten Wegner ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung zum Spitzenkandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters. Das Prozedere ist – ebenso wie die Nominierung von Bettina Jarasch zur Kandidatin der Grünen am vergangenen Wochenende – eigentlich überflüssig, da es sich um eine Wahlwiederholung handelt und man mit der gleichen Spitze antritt wie am 26. September 2021. Hierbei geht es vor allem um eines: Bilder der Geschlossenheit.

Bereits vor einer Woche hatte Wegner seine Strategie für einen »Klartextwahlkampf« vorgestellt. Die Partei wolle die Probleme der Stadt mit klarer Sprache und klaren Botschaften benennen, hatte der Landes- und Fraktionschef erklärt. Auch in seiner gut einstündigen Rede am Samstag setzt er auf viele Überschriften mit Ausrufezeichen, etwa: »Unsere Baustellen sind Staustellen!« Oder: »Nicht Mittelmaß, Spitzenklasse – darum geht’s!« Oder: »Berlin feiern, Senat feuern!«

Ob der Partei Letzteres gelingt, steht aktuell in den Sternen. In einer jüngsten Umfrage liegen die Grünen mit 22 Prozent in Führung, dicht gefolgt von der CDU mit 21 Prozent und der SPD mit 19 Prozent. Aufgrund der üblichen Umfrageunschärfen kann hieraus wenig abgelesen werden. Das eigentliche Problem: Selbst wenn die Partei als Sieger aus der Wahl hervorgehen sollte, dürfte sie Schwierigkeiten haben, Koalitionspartner zu finden, um Wegner zum Regierenden zu machen.

Zuletzt stellte die CDU in Berlin mit Eberhard Diepgen einen Regierenden Bürgermeister, der zwischen 1984 und 2001, mit einer Unterbrechung, mehr als 15 Jahre lang amtierte. Am Samstag wird gleich mehrfach auf Diepgen verwiesen. Nicht nur CDU-General Stefan Evers schaut zurück auf dessen »erfolgreiche Regierungszeit«, als noch alles funktioniert habe. Auch der Berliner Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak ruft dem in der ersten Reihe sitzenden Ehrenvorsitzenden der Hauptstadt-CDU zu: »Sie haben in dieser Stadt lange Verantwortung getragen. Daran möchten wir anknüpfen.«

Ausgerechnet an Diepgen also. Viele ältere Berliner jedenfalls dürften die Amtszeiten des »blassen Ebi«, wie Diepgen damals genannt wurde, weniger mit Erfolgen als mit einer fortgesetzten Politik der Klientelwirtschaft und Seilschaften in Verbindung bringen, an deren Ende 2001 der Berliner Bankenskandal stand. Und eine CDU, von der es hieß: Sie hat fertig.

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