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Ramelows schwierige Mission

Der Thüringer Ministerpräsident tritt erneut für die Linke an. Ihre Zustimmungswerte sinken

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

Für die Landtagswahl 2024 hat die Thüringer Linkspartei wie erwartet auch formell erneut Bodo Ramelow als ihren Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorgeschlagen. Die Partei sei sehr froh, dass Ramelow sich ein weiteres Mal als Regierungschef des Freistaats bewerbe, sagte der Thüringer Linke-Vorsitzende Christian Schaft am Samstag in Erfurt unmittelbar nach der Nominierung Ramelows. Das Ziel der Partei sei klar: Sie wolle wieder als stärkste Kraft ins Landesparlament einziehen. Dabei werde Ramelow eine Schlüsselrolle spielen. Die Partei wisse, dass Ramelow auch Stimmen von Wählern bekomme, die sonst nicht links wählten, sagte Schaft.

Der 66-jährige Ramelow ist seit 2014 – mit einer kurzen Unterbrechung im Februar 2020 – Ministerpräsident des Freistaates. Alle Umfragen aus den vergangenen Jahren zeigen, dass er unter der Mehrheit der Thüringer eine große Popularität genießt, unabhängig davon, dass seine Partei in den vergangenen Umfragen massiv an Zustimmung verloren hatte. Die Thüringer Linke war bei der Landtagswahl 2019 mit 31 Prozent der Zweitstimmen stärkste Kraft geworden. Nach den jüngsten Umfragen kann sie derzeit mit etwa 23 bis 25 Prozent der Zweitstimmen rechnen, sollte jetzt gewählt werden.

Ramelow kündigte nach seiner Nominierung an, er wolle im Wahlkampf bewusst und klar auf Polarisierung setzen. Die Landtagswahl 2024 bedeute für das Land eine Richtungsentscheidung. »Ich will über meine Popularität auch eine Polarisierung erzeugen, die deutlich macht, dass man sich entscheiden muss, wohin dieses Land Thüringen sich entwickelt«, sagte Ramelow. Er stehe für Weltoffenheit, Zuwanderung und »ein Weltbild, in dem die Regenbogenfahne nicht verhetzt wird«. In den jüngsten Wahlumfragen hatte die AfD den größten Zuspruch erhalten.

Gleichzeitig beharrte Ramelow allerdings darauf, er wolle keinen Wahlkampf gegen die Union oder deren absehbaren Spitzenkandidaten Mario Voigt machen. »Ich werde ausschließlich einen Wahlkampf für Thüringen führen«, sagte er. Dieser Satz rief bei der Thüringer CDU umgehend Widerspruch hervor. »Bodo Ramelow ist ein Mann der Vergangenheit, der leider nicht für Thüringen, sondern für seine Partei kandidiert«, sagte der Generalsekretär der Landes-CDU, Christian Herrgott.

Im Wahlkampf wolle er sich intensiv dafür einsetzen, dass Rot-Rot-Grün wieder eine eigene Mehrheit erhalte, sagte Ramelow zudem. Sollte es eine solche Mehrheit geben, werde er auf jeden Fall auch die komplette fünfjährige Legislaturperiode als Regierungschef arbeiten. Der Frage, ob er auch erneut Ministerpräsident werden wolle, sollte Rot-Rot-Grün wie 2019 eine eigene Mehrheit verfehlen, wich er aus. »Ich strebe eine eigene Mehrheit an«, erklärte Ramelow.

Zwischen 2014 und 2019 hatte Rot-Rot-Grün in Thüringen mit einer Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag regiert. Seit der Wahl 2019 fehlen dem Bündnis vier Stimmen im Landtag zur eigenen Mehrheit. Linke, SPD und Grüne regieren seitdem als Minderheitskoalition, die eine Minderheitsregierung trägt. Für alle wesentlichen politischen Entscheidungen aus den vergangenen Jahren war die Koalition deshalb auf eine De-facto-Tolerierung durch die CDU angewiesen. Die aktuellen Verhandlungen zum Landeshaushalt 2023 zeigen jedoch, dass es für Rot-Rot-Grün einerseits und die CDU andererseits zunehmend schwieriger wird, sich auf Kompromisse zu verständigen.

Dass Ramelow – unabhängig von seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen – noch einmal Ministerpräsident werden könnte, sollte Rot-Rot-Grün bei der für Spätsommer oder Frühherbst 2024 erwarteten Landtagswahl keine eigene Mehrheit erreichen, gilt allerdings inzwischen selbst manchen in den Reihen der Minderheitskoalition als nahezu ausgeschlossen. Die CDU werde aller Voraussicht nach ab 2024 nicht noch einmal mit Rot-Rot-Grün wie bisher zusammenarbeiten, sagte ein Spitzenvertreter des Bündnisses. Vielmehr werde die Union sehr wahrscheinlich alles daransetzen, selbst den Ministerpräsidenten zu stellen – und sei es, indem sie eine Minderheitsregierung anführt, die dann auf eine Duldung durch die Linke angewiesen wäre.

Für die Linkspartei im Bund sei es eine gute Nachricht, dass Ramelow noch einmal als Ministerpräsidentenkandidat antrete, erklärte der Vorsitzende der Partei, Martin Schirdewan. Daran ändere sich auch dadurch nichts, dass Ramelow zum Beispiel beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine eine andere Haltung vertrete als weite Teile der Linken. Ramelow wäre nicht Ministerpräsident geworden, wenn er nicht meinungsstark wäre, sagte Schirdewan. In einer demokratischen Partei müssten abweichende Haltungen ausgehalten werden. Ramelow hatte mit Blick auf die Ukraine betont, dass jeder, der angegriffen werde, das Recht habe, sich zu verteidigen.

»Die Thüringer Linke klammert sich an Bodo Ramelow, weil sie sonst wie überall in Deutschland in sich zusammenfallen würde«, sagte Herrgott. »Er hält damit eine Partei künstlich am Leben, der er selbst andauernd widerspricht, etwa beim Thema Ukraine.«

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