Schneller zum Pass

Koalition streitet über Einbürgerungsrecht

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

In der rot-grün-gelben Koalition herrscht Uneinigkeit, ob das Einbürgerungsrecht reformiert werden sollte. Die Pläne der zuständigen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sind zwar schon sehr weit fortgeschritten, aber nun werden sie von der FDP torpediert. Bundesjustizminister Marco Buschmann schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, dass bei der Einwanderung gelte, »dass alle helfenden Hände im Arbeitsmarkt willkommen sind, aber niemand, der nur die Hand im Sozialsystem aufhalten möchte«. Das gelte auch für die Staatsbürgerschaft.

Ähnlich äußerten sich einige Parteikollegen von Buschmann. Darunter war Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die ansonsten nur dafür bekannt ist, Waffenlieferungen an die Ukraine zu fordern. Es sei richtig, dass diejenigen, die in Deutschland lange leben und arbeiten, schneller integriert werden sollten, sagte die FDP-Militärpolitikerin den Sendern RTL/n-tv. Aber weitaus wichtiger ist aus ihrer Sicht eine noch härtere Politik der Abschiebungen. »Frau Faeser sollte
erst mal dafür Sorge tragen, dass die, die hier illegal sind, die, die möglicherweise auch gesetzlich aufgefallen sind, dass die erst mal ordentlich zurückgeführt werden«, forderte Strack-Zimmermann.

Damit schließt sich die FDP, obwohl sie Teil der Bundesregierung ist, einer Kampagne der oppositionellen Union an. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Throm meinte, dass die Ampel immer mehr Bleiberechte für abgelehnte Asylbewerber verteile, anstatt die Migration zu steuern.

Trotzdem sieht die SPD zum jetzigen Zeitpunkt noch keinen Grund dafür, ihre Pläne zu ändern. »Wir wollen das Staatsangehörigkeitsrecht so reformieren, dass dies einem modernen Einwanderungsland gerecht wird«, sagte Parteichefin Saskia Esken am Montag in Berlin. Sie sprach von einem »guten Aufschlag« für dieses Vorhaben von Faeser.

Die Behauptungen von Unionspolitikern, dass damit die Staatsbürgerschaft »verramscht« würde, wies Esken zurück. Deren Erwerb bleibe »an klare Kriterien gebunden«. Es sei aber auch wichtig für die Demokratie, »dass Wahlvolk und Bevölkerung nicht immer weiter auseinanderfallen«. Damit spielte Esken darauf an, dass immer mehr nicht wahlberechtigte Ausländer in der Bundesrepublik leben.

Anders als die FDP stehen die Grünen geschlossen hinter dem Reformvorhaben. Parteichef Omid Nouripour betonte, dass das Vorhaben im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden sei. Dieses Papier wolle die Koalition »auch abarbeiten«. Nouripour erklärte, dass es keinen deutschen Pass gebe, »ohne dass man seinen eigenen Lebensunterhalt verdient«.

Der Gesetzentwurf aus dem Innenministerium sieht bisher vor, dass man statt wie bislang nach acht Jahren künftig bereits nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland die Staatsbürgerschaft erhalten kann. Bei »besonderen Integrationsleistungen« soll dies schon nach drei Jahren möglich werden. Beispiele hierfür sind, dass die Einwanderer besondere schulische oder berufliche
Leistungen oder ehrenamtliches Engagement gezeigt haben. Möglich ist auch, dass ihre besonders guten Sprachkenntnisse anerkannt werden. Für Ausländer, die das 67. Lebensjahr vollendet haben, sollen die bisherigen Anforderungen an das Sprachniveau gesenkt werden.

Die Bundesregierung will nicht nur die gesetzlichen Hürden für Einbürgerungen senken, sondern bei den länger in der Bundesrepublik lebenden Ausländern auch aktiv für die deutsche Staatsbürgerschaft werben. Das kündigten Bundeskanzler Olaf Scholz und seine SPD-Kollegin, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, am Montagnachmittag in Berlin bei einer Veranstaltung mit dem Titel »Deutschland. Einwanderungsland. Dialog für Teilhabe und Respekt« an. Ihr gehe es darum, »den letzten Staub der Kaiserzeit aus dem Einbürgerungsrecht« zu klopfen, erklärte Alabali-Radovan.

Viele Politiker der Linkspartei stehen SPD und Grünen bei diesem Thema offensichtlich näher als die FDP. »Vielfalt und Diversität sind als Gewinn zu betrachten, nicht als Bedrohung«, sagte Linksparteichef Martin Schirdewan. Zugleich warnte er die Union vor »der Wiederholung einer rassistischen und populistischen Debatte«. Schirdewan betonte, dass Deutschland angesichts von Fachkräftemangel und alternder Gesellschaft eine Reform der Staatsbürgerschaft brauche. Er forderte die Ampelkoalition auf, die Pläne umzusetzen.

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