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Jeder fünfte Berliner ist ausgeschlossen
Im Januar 2024 soll das Berliner Einbürgerungszentrum seine Arbeit aufnehmen
»Es kommt nicht darauf an, wo du herkommst, sondern darauf, wer du sein willst.« Was die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Donnerstag in der Aktuellen Stunde des Berliner Abgeordnetenhauses zu Einwanderung und erleichterter Einbürgerung auf Landesebene als Motto ausgibt, dürften viele Menschen in der Hauptstadt teilen. Dementsprechend habe sie bei den zahlreichen Einbürgerungen, die sie als Neuköllner Bezirksbürgermeisterin durchgeführt habe, auch immer gern das »Einwanderungsbrot« geteilt, erklärt Giffey und hat ein solches zur Anschauung mit in den Plenarsaal des Abgeordnetenhauses gebracht.
Dem voraus gehen bekanntlich langwierige Prozesse, die mit einem kräftigen Biss vom Märkischen Landbrot nicht mal eben zu ändern sind, sondern nur mit umfassenden Reformen in den bürokratischen Abläufen. Denn zwar werden seit mehr als 20 Jahren jährlich etwa zwischen 6000 und 7000 Menschen in Berlin eingebürgert – aber das ist nur ein Bruchteil derer, die Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit hätten.
Aktuell wird von über 800 000 potenziell wahlberechtigten Menschen in der Stadt ausgegangen, die von nahezu allen wichtigen demokratischen Prozessen ausgeschlossen sind. Und auch wenn nicht jede*r den deutschen Pass tatsächlich möchte: Dass der Senat die Zahl der Einbürgerungen auf bis zu 20 000 pro Jahr erhöhen will, ist dringend angezeigt.
Tatsächlich ist dies nur über eine Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens durch Zentralisierung möglich. »Die Zahlen in Berlin stagnieren oder waren auch in den letzten Jahren rückläufig«, sagt Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial am Donnerstag. Das müsse dringend verändert werden. Weniger als zehn Prozent der antragsberechtigten Menschen bemühten sich um den deutschen Pass.
»Natürlich macht es was aus, wenn wir als Staat sagen: Wir wollen, dass ihr dazugehört, wir wollen euch nicht nur als Arbeitskräfte, sondern wir wollen, dass ihr mitgestaltet.« Einbürgerung sei der Königsweg, um Einbürgerung zu stärken. »Wir leben in einer Migrationsgesellschaft, einem Einwanderungsland. Alle Menschen müssten beteiligt werden, um Zugehörigkeit zu stärken.«
In der Parlamentsdebatte, die auf Antrag der Linken geführt wird, erklärt deren Abgeordnete Elif Eralp die Dringlichkeit eines Berliner Weges. Die migrationspolitische Sprecherin ihrer Fraktion kritisiert aufs Schärfste die Vorstöße der konservativ-liberalen Parteien im Bund. Angesichts der allgemeinen Fluchtsituation und den gesetzlichen Bemühungen um erleichterte Einbürgerung wollten diese mittels ihrer politischen Rhetorik einen Kontrapunkt setzen, »der die Solidarität, die in Krisenzeiten so bitter nötig ist«, schwächt.
»Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, Menschen, die bereits jahrelang hier ihren Lebensmittelpunkt haben, den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft zu erleichtern«, sagt der Grünen-Abgeordnete Jian Omar. Dass viele bei CDU und FDP »die Realität, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, nicht wahrhaben wollen«, mache ihn fassungslos, so Omar.
Am 1. Januar 2024 soll nach dem Willen der rot-grün-roten Koalition das Landeseinwanderungszentrum seine Arbeit aufnehmen, eine zentrale Behörde, die an das Landesamt für Einwanderung angegliedert ist und für die 120 neue Stellen veranschlagt sind. Außerdem sollen die 90 Stellen aus den bis dahin zuständigen Bezirken dorthin verlagert werden. Dann, so Eralp, könne es auch gelingen, aus den derzeit bis zu vier Jahren quälend langen Verfahren einen Prozess zu machen, der auf wenige Momente beschränkt ist.
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