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Kylian Mbappé: Der König von Katar
Frankreichs Stürmer ist auf dem besten Weg, zum Superstar der WM zu werden – ganz im Sinne der Gastgeber
Ganz anders als kurz zuvor auf dem Rasen von Dohas Al-Thumama-Stadion wirkte Kylian Mbappé am Sonntagabend auf der nachfolgenden Pressekonferenz fast ein bisschen unsicher und schüchtern. Vor ihm saßen die Journalisten aus aller Welt auf einer Art Tribüne. Unten saß Mbappé als Spieler des Spiels nach seinen beiden Toren und einer Vorlage beim hochverdienten 3:1 (1:0) gegen Polen, wodurch Frankreich das Viertelfinale gegen England am kommenden Sonnabend erreicht hatte. Der Raum erinnerte stark an einen Hörsaal in einer Universität. Und der 23-Jährige sollte nun in eine Rolle schlüpfen, die ihm nicht behagt und die er bei dieser Weltmeisterschaft schon zweimal verweigert hatte. In diesem Presse-Hörsaal sollte er eine kleine Vorlesung halten – über sich, seine nun schon insgesamt fünf Tore und seine Ziele bei diesem Turnier.
Als dem Franzosen die Frage auf Englisch gestellt wurde, ob er alle möglichen Auszeichnungen gewinnen wolle, griff Mbappé gar nicht erst nach einem Kopfhörer, um sich die Übersetzung anzuhören. Er antwortete wie selbstverständlich auf Englisch. »Um ehrlich zu sein, nein. Ich bin nicht hier, um den Ballon d’Or oder den Goldenen Schuh zu gewinnen«, also die Auszeichnungen für den weltbesten Fußballer und besten Torschützen, sagte er, »das Einzige, was ich will, ist der WM-Pokal.« Er habe sich lange auf die WM vorbereitet, »mental und körperlich«, führte Mbappé aus, denn diese sei »das Turnier meiner Träume.«
Und ja, vielleicht gewinne er auch andere Preise wie den Goldenen Schuh, »aber das ist nicht das, wofür ich hier bin. Ich will den WM-Pokal gewinnen«, bekräftigte Mbappé. Danach schnappte er sich die zum dritten Mal in seinen bisherigen vier WM-Spielen in Katar abgeräumte rote Trophäe für den »Man of the Match« und verließ den Saal mit einer freundlichen Verabschiedung, zweisprachig auf Französisch und Englisch: »Au revoir! Good night, guys!« Auf Wiedersehen und Gute Nacht, Leute.
Anständig und gar nicht eigensinnig war dieser Auftritt geraten und damit anders, als Mbappé zuweilen wahrgenommen wird. Auch er gilt ja als durchaus egozentrisch veranlagt, wie viele berühmte Offensivspieler. Auf dem Platz hatte er sich passend dazu auch um seine Selbstinszenierung gekümmert. Nicht mit seinem Steckpass für Oliver Giroud, der danach zur Führung gegen Polen getroffen hatte und mit nun 52 Länderspieltoren zu Frankreichs alleinigem Rekordtorjäger vor Thierry Henry aufstieg.
Dafür aber setzte sich Mbappé nach seinen wuchtigen Schüssen mit dem rechten Fuß zum 2:0 und 3:0 jeweils gezielt in Szene. Nach seinem ersten Tor vollführte er einen Kniefall. Nach seinem zweiten Tor, diesmal genau in den Winkel, lief er auf eine Kamera zu, sprang hoch und landete breitbeinig sowie mit vor der Brust verschränkten Armen. Das war schon eine richtige Posergeste. Wie beispielsweise Cristiano Ronaldo weiß auch Mbappé längst: Gute Bilder bringen noch mehr gute Werbeverträge.
Für Katar ist Mbappé ohnehin das wichtigste aller wichtigen Werbegesichter. Im Oktober war bekannt geworden, dass die Investoren des Emirats Mbappé mit Geld regelrecht überhäuft hatten, damit er seinen Vertrag bei ihrem Klub Paris Saint-Germain bis zum Sommer 2025 verlängerte. PSG befindet sich im Besitz Katars und somit auch Mbappé, jedenfalls noch gut zweieinhalb Jahre lang. Angeblich umfasste das Paket für den Flügelspieler die unglaubliche Summe von 630 Millionen Euro.
Dass Mbappé nun mit beeindruckenden Auftritten bei der Weltmeisterschaft glänzt und auf dem besten Wege ist, der Superstar des Turniers in Katar zu werden, ist ganz im Sinne der Gastgeber. Ihr Spieler schlägt voll ein und könnte der erste nach Brasiliens Pelé werden, der mit seiner Nationalmannschaft den Titel erfolgreich verteidigt. Vor 60 Jahren war das der Seleção gelungen, als sie nach 1958 in Schweden auch 1962 in Chile den WM-Pokal gewann. Nun machen sich Mbappé und die amtierenden Weltmeister der Équipe Tricolore daran, das Turnier nach 2018 auch 2022 zu gewinnen. Noch drei Siege sind dazu nötig.
Schon jetzt sind sich die Fachleute weitgehend einig, dass Mbappé der Beste seines Fachs ist. »Das ist er ganz offensichtlich«, sagte sein Trainer Didier Deschamps nach dem Sieg gegen die Polen, für die Robert Lewandowski zwar ganz am Ende noch per Handelfmeter getroffen hatte, aber klar im Schatten Mbappés stand. Die französische Sportzeitung »L‹Équipe« hatte mit einem Wortspiel nach der vorzeitigen Qualifikation fürs Achtelfinale bereits getitelt: »Le Qualif’ Mbappé«. Das klang nach: der Kalif Mbappé. Doch statt in Richtung eines islamischen Herrschers geht es bei der WM für Mbappé gerade wohl einfach in Richtung Fußball-König von Katar, Torschützenkönig inklusive.
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