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Aktion, Ahndung, Aufklärung
Beate und Serge Klarsfeld in der Topographie des Terrors in Berlin
1965 sorgte ein Buch der jungen Beate Künzel in der Bundesrepublik für Aufmerksamkeit. Es war ein Ratgeber für Au-pair-Mädchen aus Deutschland, die in Paris arbeiteten. Sogar in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« fand sich eine wohlwollende Rezension. Drei Jahre später wurde die Frau weltweit bekannt. Denn sie hatte am 7. November 1968 den damaligen CDU-Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf dem CDU-Parteitag in Westberlin wegen seiner Nazi-Vergangenheit geohrfeigt.
Ihren Geburtsnamen hatten sie bereits abgelegt, sie hieß nun Beate Klarsfeld. Sie hatte in Paris den Rechtsanwalt Serge Klarsfeld kennengelernt und geheiratet. Ein Großteil seiner jüdischen Familie war während der deutschen Besatzung aus Frankreich nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden. Der junge Serge hatte in einem Schrank versteckt überlebt.
»Beate und Serge Klarsfeld. Der Kampf gegen das Vergessen« lautet der Titel einer Sonderausstellung, die jetzt in der Topographie des Terrors in Berlin zu sehen ist. Konzipiert wurde sie von der Organisation Mémorial de la Shoah aus Paris. Auf 26 Tafeln wird das große Engagement der Klarsfeld gegen faschistische Tendenzen und gegen jede Form von Antisemitismus gewürdigt.
Oft wird das politische Wirken von Beate Klarsfeld auf die Ohrfeige gegen Kiesinger reduziert. Tatsächlich sorgte die Aktion im In- und Ausland für große Resonanz, was auf mehreren Tafeln in der Ausstellung gezeigt wird. Es kam sogar zum Streit zwischen den beiden linksliberalen deutschen Schriftstellern Günter Grass und Heinrich Böll. Böll sandte der nach der spektakulären Aktion inhaftierten Klarsfeld Rosen ins Gefängnis, was Grass abfällig kommentierte, worauf Böll wiederum mit einem geharnischten Artikel im »Spiegel« antwortete.
Die berühmte Ohrfeige bildet jedoch nur einen kleinen Ausschnitt ab aus Klarsfelds Kampf zum Aufspüren ehemaliger Nazis. Sie reiste mit ihrem Mann um die ganze Welt, auf dass Nazi- und Kriegsverbrechern ihre gerechte Strafe zukomme. Dafür wurden die beiden immer wieder heftig angefeindet. Es gab sogar mehrere Anschläge von Nazis auf ihr Leben.
Fotos dokumentieren, mit welcher Courage das Ehepaar seinen Kampf gegen Straflosigkeit, Verdrängen und Vergessen vorantrieb. So demonstrierte Beate Klarsfeld in Chile unter der Pinochet-Diktatur, weil dort ein SS-Mann, der maßgeblich an der Judenvernichtung beteiligt war, ein sorgloses Leben führen konnte. Auch in arabische Länder, etwa Syrien, reisten die Klarsfelds. Denn auch dort waren ehemalige Nazis und Judenmörder untergetaucht.
Die Ausstellung klagt insbesondere die rasche Reintegration alter Nazis in Westdeutschland an, die Unwilligkeit der Justiz, blutbefleckte Täter zu belangen und Verbrechen zu ahnden, sowie die späte historiografische Aufarbeitung der Hitlerdiktatur. Die unheilvolle personelle Kontinuität zog sich in der Bundesrepublik bis in die 70er und 80er Jahre.
Berichtet wird in der Exposition, wie die Klarsfelds gegen den FDP-Politiker Ernst Achenbach protestierten, der als Botschaftsmitarbeiter während der deutschen Okkupation für Judendeportationen zuständig war. Als Mitglied des Europaparlaments verzögerte er Bestimmungen, die die Verfolgung von Naziverbrechen erleichtern sollten. Aufgrund von Achenbachs Blockaden konnten 1979 in Köln nur noch drei Akteure der Judenverfolgung in Frankreich, Kurt Lischka, Ernst Heinrichsohn und Herbert M. Hagen vor Gericht gestellt werden. Obwohl Beate Klarsfeld Achenbachs Nazi-Vergangenheit publik gemacht hatte, konnte dieser seine politische Karriere fortsetzen. Zu den großen Erfolgen derer Klarsfels gehört die Auffindung von SS-Mann Klaus Barbie, den »Schlächter von Lyon«. Auch den Kriegsverbrechern Walter Rauff und Josef Mengele waren sie auf der Spur.
Die Klarsfelds protestierten ebenso 1979 gegen die Hinrichtung des jüdischen Geschäftsmannes Habib Elghanian durch das islamische Regime in Iran, demonstrierten zu Zeiten des Realsozialismus in Prag und Warschau gegen antijüdische Maßnahmen. Diese Aktionen quittierte die DDR mit einem Einreiseverbot. Kurz zuvor hatte man Beate Klarsfeld noch eine Einladung zum Treffen von Willy Brandt und Willi Stoph gesandt.
Beate Klarsfeld, die sich selber als Sozialistin bezeichnete, war zwei Jahre Korrespondentin der »Deutschen Volkszeitung«, die 1953 bis 1989 in Paris erschien und sich klar gegen Antikommunismus positionierte. Dass sie sich nicht instrumentalisieren ließ, zeigt in der Ausstellung ein Brief an Erich Honecker, in dem sie ihre wohlwollende Haltung gegenüber Israel begründete. Aufgenommen sind hier auch zwei Plakate der Linken: 2013 hatte diese Partei Beate Klarsfeld als Präsidentschaftskandidatin aufgestellt.
»Beate und Serge Klarsfeld. Der Kampf gegen das Vergessen«, Topographie des Terrors, Niederkirchnerstr. 8, 10963 Berlin; bis 19. Febr., täglich 10 bis 20 Uhr, Eintritt frei.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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