Betrieb ohne Genehmigung

Auch in Brunsbüttel steht die LNG-Anlandung bevor – ohne umweltrechtliche Prüfung

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 4 Min.

Feierlichkeiten in Wilhelmshaven, doch auch im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel klopfen sich die Verantwortlichen auf die Schultern: Die überirdisch verlaufende Pipelineanbindung für die schwimmende Flüssiggas-Anlandestation ist nach nur zweieinhalb Monaten Bauzeit in dieser Woche fertig geworden. Auch eine mehrstündige Baustellenbesetzung durch Umweltaktivisten im November hat dem rekordverdächtigen Zeitplan durch verkürzte Mitwirkungsfristen für das Projekt nichts anhaben können.

In der Vorwoche hatte sich Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) vor Ort ein Bild vom Baufortschritt gemacht. Der Leitungslogistiker SH-Netz sowie der Terminalbetreiber Gasunie Deutschland meldeten schließlich am Dienstag Vollzug. Was jetzt nur noch zur endgültigen Inbetriebnahme fehlt, ist das in Frankreich liegende Spezialschiff »Höegh Gannet«, das das LNG in Gas umwandelt und dann an Land pumpt. Es wird im Januar in Brunsbüttel erwartet.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert indes, dass der Betrieb der »Höegh Gannet« den Behörden lediglich angezeigt und ohne Genehmigung aufgenommen werden soll. Begründet werde das Vorgehen durch die Landesregierung damit, dass die Anlegestelle für das Spezialschiff nach wenigen Wochen innerhalb des Hafens verändert wird und erst für den endgültigen Liegeplatz ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren beigebracht werde. Die DUH hält das für rechtswidrig und fordert die Durchführung eines Verfahrens mit allen störfall- und umweltrechtlichen Prüfungen für einen derart gefährlichen Betrieb. In Schleswig-Holstein dürfe es keinen Sonderweg geben, so Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.

Im ersten Schritt wird das Gas ins schleswig-holsteinische Versorgungsnetz eingespeist. Jährlich 3,5 Milliarden Kubikmeter Gas könnten so in den Umlauf kommen – beinahe die Hälfte der kalkulierten Verbrauchsmenge für das Bundesland. Im April startet dann ein weiterer Bauabschnitt, mit dem der Anschluss an das bundesweite Leitungsnetz sichergestellt werden soll. Dafür müssen auf einer Gesamtdistanz von 55 Kilometern ungefähr 3000 Rohre durch die Elbmarsch und zehn Gemeinden bis in den kleinen Ort Hetlingen/Haseldorf (Kreis Pinneberg) verlegt werden. Damit will man bis Oktober 2023 fertig sein.

Bei seinem Staatsbesuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten im September gab Kanzler Olaf Scholz bekannt, dass eine erste LNG-Lieferung von dort als Destination Brunsbüttel ansteuern soll. Auch sollen ab 2026 die beim Emirat Katar georderten LNG-Mengen über Brunsbüttel den Weg ins deutsche Netz finden. Dann soll auch das gecharterte Spezialschiff durch ein Terminal an Land ersetzt werden. Perspektivisch soll die gesamte Anlage irgendwann auf grüne Wasserstoffderivate wie Ammoniak umgestellt werden. Wann genau, ist dem Bundeswirtschaftsministerium aber nicht zu entlocken.

Wäre es nach Frank Schnabel gegangen, hätte Brunsbüttel wegen des Standortvorteils an der Elbmündung und der Einfahrt in den Nord-Ostsee-Kanal bereits seit Jahren ein LNG-Terminal. Er ist verantwortlich für den Hafenbetrieb im 13 000 Einwohner zählenden Städtchen. Weil ein solches Projekt aber ursprünglich privat finanziert werden musste und klimapolitisch ein Festhalten an fossiler Energie immer weiter aus der Zeit fiel, zogen sich Stück für Stück die Investoren zurück. Erst die »Ukraine-Zeitenwende« lässt Schnabels Idee Wirklichkeit werden.

Macht sich in Brunsbüttel, ohnehin mit dem größten Industriegebiet Schleswig-Holsteins ausgestattet, aus Sicht von Bürgermeister Martin Schmedtje (parteilos) gerade Goldgräberstimmung breit, verstehen Umweltverbände und Klimaaktivisten die Welt nicht mehr. Im Kieler Landtag ist einzig der Südschleswigsche Wählerverband gegen das Terminalprojekt. Auch die Linke spricht von Fehlinvestitionen und einer Fehlentwicklung auf dem von der schwarz-grünen Landesregierung ausgegebenem Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden. Die Deutsche Umwelthilfe hingegen hatte sich mit Blick auf die Absicherung der hiesigen Energieversorgung aus dem grundsätzlichen Protest gegen das Projekt zurückgezogen.

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