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  • Politik
  • Proteste gegen Energiekrise

Heiße Luft statt heißer Herbst in Sachsen

Rechte Aufmärsche im Freistaat weniger stark als befürchtet – Sorge vor erstem schwarz-blauen Bündnis

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

»Der Kaltmacher« steht auf dem Plakat, das den grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigt und das von Jürgen Elsässer in die Höhe gereckt wird. Der Chefredakteur des rechtsextremen »Compact«-Magazins geißelt bei jeder Gelegenheit die Energie- und Russlandpolitik der Bundesregierung, der er vorwirft, fahrlässig auf Gasimporte zu verzichten und damit viele Bundesbürger in Not zu stürzen. Das käme ihm freilich ganz recht: Der Zorn darüber, so hoffen Elsässer und andere Rechtsextreme, könne sie dem Traum vom Umsturz näher bringen. Eine Kundgebung mit 1000 Teilnehmern im September in Leipzig, bei der man den Schulterschluss mit Linken suchte und von einer »breiten Volks- und Querfront« fabulierte, galt als Auftakt für einen »Wutwinter«, der gerade in Sachsen zu Massendemonstrationen führen würde.

Vier Monate später ist klar: Das Kalkül ging nicht auf. Zwar gibt es im Freistaat allwöchentlich Proteste, oft angeführt von der 2021 gegründeten rechtsextremen Splitterpartei »Freie Sachsen«. In Plauen mobilisierte ein Bündnis teils bis zu 5000 Menschen zu Kundgebungen, bei denen rhetorisch gefragt wurde, ob »wir der Ukraine irgendwas schuldig« seien. Doch zuletzt gingen die Teilnehmerzahlen flächendeckend nach unten. »Der heiße Herbst entpuppt sich als heiße Luft«, sagt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen: »In der Fläche ist das ein Misserfolg.«

Dabei sind die Voraussetzungen im Freistaat günstig. Dort gehöre »rechter Protest zur Normalität«, heißt es in einer Broschüre des Kulturbüros namens »Sachsen rechts unten«, die eine durchgehende Linie von flüchtlingsfeindlichen »Lichtelläufen« im Erzgebirge im Jahr 2013 über die Pegida-Aufmärsche ab 2014 bis zu den Querdenker-Demonstrationen 2020 zieht. In der Zeit bekamen die Proteste nicht nur einen alltäglichen Charakter. Die Rechtsextremen nutzten sie auch, um Bündnisse zu schmieden und neue Milieus anzusprechen. Weil Teile der Landespolitik zudem mit Dialogangeboten an vermeintliche Wutbürger »erheblich zur Normalisierung beigetragen« hätten, sei ein Ende der Proteste »mittelfristig nicht abzusehen«, hieß es in der im Mai vorgelegten Broschüre. Offen sei höchstens, welchen Themen man sich als nächstes widme.

Die Energie- und Russlandpolitik schienen das Zeug dazu zu haben; selbst Außenministerin Annalena Baerbock fürchtete »Volksaufstände«. Dass es nicht dazu kam, liege zum einen an den von der Bundesregierung beschlossenen Entlastungsmaßnahmen, glaubt Nattke: »Da wird einiges abgefedert.« Zudem finde der pro-russische Kurs, den Elsässer und die Freien Sachsen fahren, auch in Ostdeutschland weniger Rückhalt als erhofft hatten: »Auch viele Menschen, die der Demokratie ablehnend gegenüber stehen, sehen in Russland den Aggressor und wollen nicht unter russischen Fahnen demonstrieren.«

Zu beobachten sei aber, dass angesichts steigender Zuwanderungszahlen wieder verstärkt gegen die Unterbringung von Flüchtlingen mobilisiert wird. Sie hatte schon 2015/16 zu flächendeckendem Protest und teils starker Radikalisierung geführt. Derzeit zeige sich in Orten wie Chemnitz-Einsiedel oder Naunhof (Kreis Meißen), dass »Strukturen von damals leicht reaktivierbar sind«, sagt Nattke. Sorge bereite ihm, dass zum einen infolge der Corona-Proteste viel mehr Menschen in rechtsextremen Propagandakanälen unterwegs seien als vor sechs Jahren. Zudem reihe sich, anders als 2015, die AfD offen in die Kampagne ein, die in Sachsen ein stabiles Wählerpotenzial von 25 Prozent habe.

Als die »bedrohlichste Entwicklung« sieht Nattke allerdings den Umstand an, dass auch die CDU zumindest regional auf den Zug aufspringt. Erst hatte sie in drei Kreistagen mit der AfD gestimmt. Nun sorgte Bautzens CDU-Landrat Udo Witschas für Entsetzen. In einer Weihnachtsansprache sprach er sich gegen die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern aus. »Menschen in Mehrfamilienhäusern« sollten sich nicht sorgen, dass »Menschen, die erst lernen müssen, mit unserem Leben, unserer Gesellschaft klarzukommen, jetzt in unsere Wohnungen integriert werden und damit der soziale Frieden gefährdet ist«. Nattke sieht in solchen Äußerungen »erste Schritte auf dem Weg zu künftigen Koalitionen« auf kommunaler Ebene. Er fügte an: »Es werden nicht Neonazis und die AfD sein, die die Gesellschaft nach rechts schieben, sondern etablierte Parteien, die dem Druck nachgeben.«

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