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Kleine Silvestertour statt großer Vierschanzentournee
Warum die Skispringerinnen beim größten Event des Jahres weiter auf Gleichberechtigung warten müssen
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die »fliegenden Frauen« eigentlich glücklich sein müssten. Nachdem es im vergangenen Winter mit zwei Springen im slowenischen Ljubno erstmals auch für die Skispringerinnen einen Weltcup rund um den Jahreswechsel gab, steht in diesem Jahr die Premiere einer echten Silvestertour auf dem Plan. Zwei Springen an diesem Mittwoch und am Donnerstag im österreichischen Villach folgt eine Doppel-Veranstaltung in Ljubno am Silvester- und am Neujahrstag. Für die Gesamtsiegerin der vier Springen ist ein beachtliches Preisgeld von 20 000 Schweizer Franken und eine »Goldene Eule« als Pokal ausgelobt.
Die Reaktionen auf das neue Vorzeige-Event für die Skispringerinnen sind trotzdem eher gemischt – und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Die deutsche Gesamtweltcup-Spitzenreiterin und Olympiazweite Katharina Althaus spricht zwar von einer Verbesserung des Programms: »Es ist aber nicht das, was wir wollten. Das wäre die Frauen-Vierschanzentournee von Großschanzen.« Die deutsche Fliegerin Luisa Görlich schimpfte in ihrem Blog bei sport.de sogar, die letzten Wettkämpfe hätten doch bewiesen, »dass die Zeit reif ist für eine Vierschanzentournee der Frauen. Vor diesem Hintergrund ist es eine Unverschämtheit, im Zeitalter der Gendergerechtigkeit, die Entscheidung auf eine eigene Tour wieder verschoben zu haben!«
Die Skispringerin reagierte damit auf eine überraschende Ankündigung von Österreichs Skiverbands-Chefin Roswitha Stadlober, dass die Premiere der Vierschanzentournee auf den traditionellen Großschanzen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen für Frauen »nicht vor 2024/25« stattfinden werde. Dabei war die Einbeziehung der Frauen in die wichtigste jährliche Skisprung-Veranstaltung der Welt schon für den kommenden Winter 2023/2024 offiziell angekündigt worden. Doch nun machte der Österreichische Skiverband (ÖSV) einen Rückzieher. Stadlober sprach nebulös von »noch vielen zu berücksichtigenden Faktoren, die eine frühere Einführung nicht ermöglichen«.
Beim Deutschen Skiverband (DSV) vermutet man, dass sich der ÖSV bei traditionellen nur mit Normalschanzen ausgestatteten Veranstaltungsorten für die Frauen wie Hinzenbach oder Villach in der Pflicht sehe und deshalb bei der Tournee auf Großschanzen bremse. Das Verständnis dafür hält sich jedoch in Grenzen. »So wird man das Produkt Frauen-Skispringen nicht entscheidend weiterentwickeln. Wir dürfen keine Zeit mehr mit der Einführung der Vierschanzentournee für Frauen verlieren«, sagt Horst Hüttel. Er ist beim DSV für alle Themen rund ums Skispringen verantwortlich und hat die Gleichberechtigung in den letzten Jahren entscheidend mit vorangetrieben.
Die Kritik von Hüttel und vielen der Fliegerinnen wird vor allem an zwei Dingen festgemacht. Zum einen wird in Ljubno und Villach auf kleinen Schanzen gesprungen. In Slowenien, so Hüttel, seien im vergangenen Winter zwei Drittel aller Springerinnen bei Weiten unter 85 Meter gelandet. Natürlich ist das für Zuschauer vor Ort und im TV nicht so attraktiv wie Flüge über 130 Meter, die auf den vier Tournee-Anlagen in Deutschland und Österreich erreicht werden.
Zum anderen hat der Name Vierschanzentournee eine einmalige Wertigkeit in der Welt des Sports. Die Siegprämie für den Gesamtsieger von 100 000 Euro und der Goldene Adler als Pokal sind zu Markenzeichen geworden. »Von diesem Image würden auch die Frauen profitieren. Aber der Name Vierschanzentournee ist geschützt. Und es geht nur in Zusammenarbeit zwischen dem DSV und dem ÖSV«, erklärt Hüttel. »Wir sind für Gespräche bereit. Der Ball liegt aber jetzt beim ÖSV.«
Den ursprünglichen Planungen für die Premiere einer Frauen-Vierschanzentournee zufolge wären die Frauen an denselben Tagen, aber in den beiden Ausrichterländern im Vergleich zu den Männern in umgekehrter Reihenfolge der Ausrichterorte gesprungen. Also zuerst in Garmisch-Partenkirchen, dann das Neujahrsspringen in Oberstdorf, danach Bischofshofen und das Finale in Innsbruck. »In Oberstdorf sind die Hotels rund um den Jahreswechsel schon über Jahre ausgebucht und der Tross der Skispringerinnen bräuchte noch einmal 150 Leute extra«, begründet Hüttel die Überlegung dahinter.
Diesen Kompromiss hätte man nach seiner Meinung eingehen können mit dem Ziel, ein paar Jahre später auch die Frauen in der traditionellen Reihenfolge und an denselben Tagen wie die Männer springen zu lassen. Das werde noch einfacher, wenn wie geplant Innsbruck als letzte Tournee-Schanze mit Flutlicht ausgestattet wird: »Dann sind wir an allen Schanzen zeitlich flexibler.« Das Fernsehen hätte für den Plan einer Frauen-Vierschanzentournee ohnehin den Daumen längst nach oben gezeigt. Auch die vier Ausrichterorte wären im Boot und das zusätzliche Preisgeld sei ebenfalls abgesichert.
Doch der ÖSV hat offenbar andere Pläne. Präsidentin Stadlober verkündete zuletzt, dass die Silvestertour in Villach und Ljubno »erstmal fix« im Weltcup-Kalender verankert sei. Der Villacher Organisations-Chef Gerhard Prasser erklärte zudem süffisant, dass man den Frauen »nicht das Gefühl vermitteln wolle, sie seien ein Anhängsel« der Männer, also bekämen sie bei ihm einen eigenen Ort für sich. Die Zusammenarbeit mit Ljubno sei auf mehrere Jahre angelegt und möglicherweise könne man künftig als dritte Station für die Tour das italienische Tarvisio ins Auge fassen. In Ljubno beschäftigt man sich neben der Installation einer Flutlichtanlage derweil mit dem Plan, eine Großschanze zu bauen.
Doch die Springerinnen wollen etwas anderes. Die Zeit für ihre Tournee läuft aber davon. Die Tournee-Legende Sven Hannawald appelliert daher an die Verantwortlichen: »Es wird höchste Zeit für eine Vierschanzentournee der Frauen! Die derzeitige Lösung, dass man irgendwo rund um den Jahreswechsel springt, ergibt aus meiner Sicht keinen Sinn. Es sollte eine Frauen-Vierschanzentournee mit den gleichen Austragungsorten sein wie bei den Männern, wenn möglich auch in der gleichen Reihenfolge. Gemeinsame Weltcups von Frauen und Männern funktionieren doch an anderen Ausrichterorten auch perfekt!« Alles wäre so einfach – zumindest auf den ersten Blick.
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