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Stadtentwicklung im Hinterzimmer

Das torpedierte Verfahren zum Molkenmarkt gilt als einer der größten Aufreger des Jahres

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer einen Eindruck davon bekommen wollte, wie sehr selbst die Fachpolitiker vom Verlauf des Verfahrens für den Molkenmarkt überrascht wurden, der musste vor gut einem Monat bloß Julian Schwarze im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses zuhören. Wenn man sich Anfang des Jahres in den November »gebeamt« hätte, wären »alle davon ausgegangen«, dass man in einer Zukunft herauskomme, in der es einen Sieger im Molkenmarkt-Verfahren gibt, sagte der Grünen-Abgeordnete.

Der Konflikt um den Molkenmarkt in Mitte war eines der großen Themen des Jahres in der Berliner Stadtentwicklungspolitik. Es geht um den Stadtraum hinter dem Roten Rathaus, einen Kern der historischen Berliner Altstadt also, der nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg in eine schnöde Großkreuzung umgewandelt wurde. 2016 hatte der Senat einen Bebauungsplan beschlossen, mit dem die historische Struktur des Viertels wiederhergestellt werden soll. In einem Werkstattverfahren wurden Leitlinien für die Bebauung ausgearbeitet. In einem Wettbewerbsverfahren konkurrierten dieses Jahr schließlich zwei ausgewählte Entwürfe von Architektenbüros miteinander. Der eine wird als stärker konservativ bewertet, da er sich stark am historischen Vorbild orientiert. Der zweite gilt als progressiver, weil der Fokus auf Nachhaltigkeit und eine moderne Architektur gelegt wird. Bereits im Februar wurde es bei einer Onlineveranstaltung mit Bürgerbeteiligung laut und turbulent, als Vertreter eines konservativen Vereins Stimmung gegen den modernen Entwurf machten.

Der Streit setzte sich im März im Abgeordnetenhaus fort, als bei einer Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss weitere Befürworter der Rekonstruktion historischer Architektur für ihr Anliegen trommelten. Etwa dafür, viele kleine Bauparzellen zu schaffen. Diese kleinteilige Parzellierung ist indes – zusammen mit aufwendigen Fassadengestaltungen – ein Kostentreiber, der einer günstigen Bebauung im Weg stehen könnte. In den folgenden Monaten sprachen sich die Kulturszene, aber auch Institutionen wie die Architektenkammer für die moderne Architektur aus. Auch der konservativere Entwurf näherte sich seinem Mitbewerber an.

Letztlich blieb eine Entscheidung zwischen beiden aber schlicht aus. Anders als im Auslobungstext angekündigt, erklärte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (parteilos, für die SPD), die als Architektin selbst für eine konservative Architektursprache bekannt ist, dass es nie vorgesehen gewesen sei, einen Sieger zu küren. Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis forderte daraufhin, das Verfahren mit einem eindeutigen Sieger abzuschließen, Architekten tauschten sich in Foren aus, ob man sich noch in Berlin bewerben könne angesichts des willkürlichen Umgangs mit solchen Verfahren.

Und Kahlfeldt? Sie stellte derweil bei einem Treffen einer neu gegründeten Stiftung der Rekonstruktionslobby vor, wie in der Senatsbauverwaltung das Verfahren zur Bebauung des Molkenmarktes nun übernommen wird. Auch gegenüber den Fachpolitikern nannte Kahlfeldt im November weitere Schritte, die noch Anfang des Jahres kein Thema in Sachen Molkenmarkt waren. Für viele hat sich spätestens an diesem Punkt der Eindruck verfestigt, dass Kahlfeldt schaltet und waltet, wie es ihr beliebt.

Wichtige Details zum weiteren Verfahren zum Molkenmarkt sind derweil unklar – auch bei einer möglichen Wiederauflage der Koalition aus SPD, Grünen und Die Linke dürfte erneut gerungen werden. Eines aber ist sicher: Nach Kahlfeldts erstem Jahr im Amt wird niemand mehr eine Vorhersage abgeben wollen, was herauskommt, wenn man sich ein halbes Jahr in die Zukunft beamen würde.

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